#5 Stracciatella

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1. SCHWARZ UND WEIß

1.1. EINE KLEINE GESCHICHTE

Die frische Brise des Windes zieht durch dein flatterndes Haar. Du spürst wie sich die Luft an deinem Körper teilt und sich mit einem leichten Druck an deiner Haut entlangbewegt, deine Haare sich aufstellend entgegen der kühlen Brise. Dein Blick schweift über das endlose grün zu deinen Füßen, strahlend wie ein neugeborener Stern durch die auf es fallenden Sonnenstrahlen. Du riechst den saftigen Geruch der Sprösslinge, welche ihren Weg ins Leben erst vor kurzem angetreten haben. Du hörst das leise Rascheln der Blätter und die kleinen Tiere, sich im Schutz des Geästs von einem Baum zum nächsten bewegend.
In diesem Moment spürst du, wie sich der Begriff von absoluter Freiheit tatsächlich anfühlen muss. Dein Geist ist eins mit seiner Umgebung, erfüllt von einem inneren Gefühl des Friedens. Dieser Augenblick sagst du dir, ist der Beginn von etwas neuem, etwas großem. Von nun an wirst du diesen inneren Frieden nutzen können um diesen selbst, die Liebe, das Verständnis auch an deine Mitmenschen weitergeben zu können. Du bist fest entschlossen allen Streit, alle giftigen Gedanken, dein altes Ich, für immer hinter dir zu lassen. Als jemand neues, starkes herabzusteigen und die Augen offenzuhalten. Dich nie wieder verführen zu lassen.

Am Abend findest du dich auf dem Boden deines Zimmers wieder. Das strahlende Sonnenlicht ist bereits untergegangen in einem Meer aus blutigem Rot, den Himmel färbend zu etwas angsteinflößendem, ungewissen. Zurückgelassen in völliger Dunkelheit bist du allein.
Es ist nun schon ein paar Tage her, seit du das letzte Mal mit jemandem gesprochen hast.
Du spürst nun wie sich deine Brust langsam zuschnürt, wie sich alles in dir verhärtet, auszukühlen scheint. Als hätte jemand die Flamme deiner Leidenschaft einfach ausgeblasen.
Von der Hoffnung des Tages ist nichts mehr übriggeblieben. Die letzten Gedanken die dich nun vollends bestimmen sind Einsamkeit, Wut auf alle Menschen, und die Frage, wie du nur so dumm sein konntest zu glauben dieses Mal würde es anders sein.
Das du glaubtest, dieses mal würde der Engel in deiner Seele bei dir bleiben. Doch der Teufel ist wiedergekehrt. Er hat dich aufgefangen. Du verabscheust ihn und trotzdem nimmst du immer wieder seine Hand. Denn jede Hand scheint besser zu sein als keine Hand.

Am nächsten Morgen beginnt er wieder, der Kampf in deinem Inneren. Der Kampf um Gut und Böse, um Schwarz und Weiß.
Und die Kraft, aus deinem eigenen Willen heraus zu entscheiden auf welche Seite du stehen willst, scheint dir vollends entglitten zu sein.

Der Fehler liegt darin, dich überhaupt für eine Seite entscheiden zu wollen.
Im folgenden Abschnitt möchte ich auf das sogenannte „Schwarz-Weiß Denken“ eingehen. Was das ist und wie wir dem entgehen können.

1.2. WAS IST SCHWARZ-WEIß DENKEN ?

Die von mir beschriebene Situation ist eine besonders extreme Darstellung des Schwarz-weiß Denkens.
Diese Art der Verarbeitung von Informationen kennzeichnet sich durch den Versuch in Schubladen zu denken. Eine Sache ist entweder gut oder schlecht. Nie etwas im Graubereich, obwohl sich dort meist die Wahrheit versteckt.
Wir beginnen, winzigen Kleinigkeiten eine viel größere Bedeutung zuzuschreiben als sie in Wirklichkeit eigentlich haben und beziehen die dort erkannte negative oder auch positive Emotion auf unser gesamtes Leben.
Läuft eine Sache schlecht, so verlieren wir die Fähigkeit überhaupt noch irgendetwas gutes in unserem Leben finden zu können. Wie ein großer Stein der uns immer weiter auf den Grund des Meeres zieht.
Und dominiert das positive Gefühl, überschätzen wir uns massiv, erwarten zu viel von unseren Mitmenschen und sind letztendlich enttäuscht wenn wir mit all diesen Erwartungen wieder gegen eine Wand fahren.

Diese Art zu Denken ist keine seltene und ich bin mir sicher jeder von euch ist schon einmal in die Situation gekommen, wo er gesagt hat: „Ich hab verloren, ich bin wirklich ein totaler Versager.“ oder „Wenn er mich verlassen hat, wird mich niemals jemand lieben können.“
Wir neigen dazu in solch extremen Termen zu denken, weil sie uns das Leben erleichtern.
Sie bringen uns Komfort indem wir sagen, die Welt sei unfair und es würde sich gar nicht lohnen auch nur zu probieren wieder aufzustehen.
Es ist der klassischer Fall, bei dem wir uns selbst die Opferrolle zuweisen und uns somit davor schützen uns wirklich mit der Situation auseinandersetzen zu müssen um eine Lösung für das Problem zu finden.
Sich aufzurappeln, seinen Problemen zu stellen und an sich selbst zu arbeiten, ist schwierig, kostet Energie und kann manchmal auch schmerzhaft sein.
Wenn wir uns dagegen in unser Loch fallen lassen und uns selbst sagen, alle Hoffnung für das Leben sei bereits verloren, ersehnen wir uns insgeheim, dass jemand kommen wird, der uns rettet und unsere Probleme für uns löst. Jemand, der im besten Falle einmal mit seinem Zauberstab schwingt und das Leben wieder vollends gut macht.

Doch genau hier liegt der Fehler. Genau dieser Wunsch ist es, der euch in nur weitere Hoffnungslosigkeit stürzen lässt.
Denn ihr erhofft euch das vollständig Gute.
Ihr denkt komplett schwarz und träumt von komplett weiß. Mit diesem Gedanken, dieser „Lösung“, wollt ihr euch nur in das andere Extrem stürzen, in welchem ihr den Himmel auf Erden lebt.
Doch selbst wenn ihr es in diesen weißen Zustand zurück schafft, so kostet auch dieser enorme Energie und ihr werdet auf kurz oder lang wieder in eurem dunklen Loch landen.
Warum?
Weil beides fernab der Realität liegt. Ihr habt so hohe Erwartungen an das Leben, dass wenn diese, wie es in den meisten Fällen nun einmal sein wird, nicht getroffen werden, ihr eine solch überdimensionierte Enttäuschung verspürt, dass ihr im schlimmsten Falle gar keinen Sinn im weiteren fortleben mehr erkennen könnt.
Wenn ihr euch eurem Loch, dem schwarzen Denken, hingebt, so bemitleidet ihr euch selbst und sucht nach einer Ausrede weiter vor euren Problemen davonlaufen zu können.
Es ist eine Endlosspirale. Wenn ihr nicht selbst anfangt etwas dagegen zu unternehmen, werdet ihr nie entkommen können.
Mit der Zeit wird euch immer bewusster werden, wie ihr von einem Denkmuster in das andere rutscht und wieder zurück. Immer und immer wieder. Ihr werdet das Gefühl haben von eurem eigenen Geist in die Irre geführt und gefoltert zu werden. So als würden zwei völlig gegensätzliche Personen in euch existieren.

1.3. WIE WIR AUSBRECHEN KÖNNEN

Lasst euch von mir sagen, in euch existiert nur eine Persönlichkeit. Eine Persönlichkeit, die zwar gewisse Grundzüge hat, aber in allen anderen Bereichen große Fassetten aufweist. Denn natürlich sind wir Menschen nicht so simpel und mit einfachen Worten und Zuweisungen von entweder/ oder zu beschreiben.
Diese zwei Versionen von dir zeigen, dass du deine innere Balance verloren hast. Das Yin und Yang nun getrennt anstelle als eine Einheit existieren.
Dies passiert, wenn der Bezug zur Realität verloren geht.
Bei manchen mag ein traumatisches Erlebnis die Ursache für diesen Verlust sein. Bei anderen vielleicht auch nur der oft unveränderliche und dadurch hoffnungslos erscheinende Alltag.
Doch viele von uns sind auch einfach noch jung und auf der Suche nach sich selbst. Lässt man sich auf dieser Reise zu sehr ablenken oder kommt in Kontakt mit schlechtem Einfluss, so ist es nicht wunderlich sich jener starken Trennung des Geistes hinzugeben. Denn wie ich bereits erwähnte, macht es uns zu Beginn vieles einfacher und beschützt uns davor Verantwortung für uns selbst zu übernehmen.

Was wir jedoch unbedingt erkennen müssen, um uns dieser Spirale des Grauens zu entwenden, ist die bittere Wahrheit, dass nie jemand kommen wird, um uns zu retten.
Das nie jemand kommen wird um all unsere Probleme für uns zu lösen. Und das Leben nie nur wunderschön und von Glück erfüllt sein wird.
Dies ist wahrscheinlich auch nicht das Ziel hinter unserem Leben hier auf Erden gewesen. Wie ich in „Die verändernde Essenz“ bereits erklärte, ist auch die Erfahrung negativer Gefühle und verletzender Situationen unabdingbar, um in sich selbst wachsen zu können. Wir dürfen uns durch das Schwarz-Weiß Denken nicht davor verstecken, sondern müssen lernen diese Probleme anzugehen. Ansonsten werden wir immer nur den Schmerz spüren, ohne das Wachsen des Selbst aus der Lektion mitnehmen zu können. Wir würden uns nie fortbewegen immer nur stillstehen in unserem Elend.

Der erste Schritt in die richtige Richtung kann dabei sein, sich bewusst zu werden, wann man wieder beginnt schwarz oder weiß zu denken.
Oft ist es nicht schwer zu bemerken, ob man gerade alles verteufelt und dem Leben ohne jede Hoffnung entgegenblickt oder sie Schönheit ihrer voll in sich aufnimmt, alles zum guten wenden möchte und am liebsten auch gleich noch die ganze Welt zu retten vermag.
Worauf ich mich beziehe, sind jedoch die Trigger Momente, die meist die Quelle sind, von welcher aus wir uns in die eine oder andere Richtung bewegen.
Meist werden diese Momente durch unsere Wortwahl, egal ob verbal oder in Gedanken, gekennzeichnet.
Wir neigen dann dazu alles zu Generalisieren.

„Entweder du zeigst jetzt was du drauf hast, oder du wirst für immer ein Versager bleiben.“

„Ich habe immer nur Pech.“

„Niemand will etwas mit mir zu tun haben.“

Wie sie sehen, erkennt man solche Trigger oft durch Wörter, wie: alle, immer, Niemand, Jeder, nie wieder etc…
In dem wir sie nutzen, setzen wir jede Hoffnung auf Änderung in das Unmögliche und sind noch dazu viel zu unspezifisch in dem was uns eigentlich wieder fahren ist. Ein solcher Gedanke ist meist der erste Schritt zum vergiften seines gesamten Lebens.
Stattdessen müssen wir versuchen die Situation realistischer, faktischer zu Betrachten oder zumindest aus einem anderen Blickwinkel heraus. Nur so bekommen wir die Möglichkeit Yin und Yang wieder zu vereinen, einen Weg zurück in unser inneres Gleichgewicht zu finden und dadurch eine Lösung für unser Problem.
Wenn ihr euch mal wieder dabei ertappt einen solchen Gedanken zu dichten, seid nicht enttäuscht, doch versucht ihn in eurem Kopf umzuformulieren, zu spezifizieren auf das was euch tatsächlich passiert ist und von dort aus nach Möglichkeiten zu suchen den inneren Konflikt aktiv zu bearbeiten.
Im „Big Picture“ von außen auf euch selbst zu blicken ist immer hilfreich. Aber macht nicht den Fehler eine negative Emotion über Brücken auf alle anderen Bereiche eures Lebens zu beziehen, sondern versucht stattdessen nach Erfahrungen zu suchen, die euch Halt und Kraft geben können.
Die unteren drei Beispiele, bezogen auf die vorherigen schwarzen Aussagen, sollen einmal veranschaulichen was ich mit dieser anderen Betrachtungsweise tatsächlich meine.

„Ich habe so lange auf die Chance gewartet um gegen ihn antreten zu können. Ich will unbedingt gewinnen. Doch selbst wenn ich verliere, werden sich noch genügend Gelegenheiten bieten um meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Ich weiß ich bin gut und durch ein verlorenes Spiel kann ich nur besser werden. Niemand wird Enttäuscht von mir sein, denn ich werde mein bestes geben.“

„Heute bin ich im Sportunterricht wieder über meine eigenen Füße gestolpert. Das war echt Pech. Wahrscheinlich haben alle über mich gelacht. Aber ich habe auch gesehen wie ***** ebenfalls hingefallen ist und mir selbst war nicht zum lachen zumute. Ich hatte eher Angst, dass sie sich vielleicht verletzt hat. Es passiert also auch anderen Leuten, nicht nur mir. Und die meisten haben es wahrscheinlich gar nicht mitbekommen und ansonsten sofort wieder vergessen.“

„In der Gruppenarbeit heute war ich mal wieder der einzige, der von niemandem freiwillig in ein Team gefragt wurde. Allerdings war ich auch der einzige, dessen Freundesgruppe in einer anderen Klasse war, während alle anderen bereits in Grüppchen mit ihren engsten Freunden saßen. Ich hätte wohl von selbst einfach auf jemanden zugehen und fragen sollen.“

Wenn ihr von Verzweiflung gepackt werdet, schließt eure Augen, atmet ein paar mal tief durch, geht in die Natur für einen Spaziergang oder legt euch ein paar Stunden hin und schlaft.
Lenkt euch erstmal ab von der Situation, aus der ihr gerade kommt. Redet erstmal mit keinem und versucht an irgendetwas anderes zu denken. Versucht wieder Ruhe in euer System kommen zu lassen, denn im Chaos lassen sich keine Probleme lösen.
Dann versucht eure Gedanken zu ordnen und das Erlebte realistischer zu betrachten, so wie ich es gerade an den Beispielen zeigte. Seht ein Problem nicht nur aus eurer Perspektive, sondern auch aus der von anderen Beteiligten.
Wurde nur ich verletzt oder habe ich auch verletzt?
Wie wirkte mein Verhalten auf andere?
Handelte ich wirklich nachdem was ich vorgab oder steckte vielleicht doch etwas anderes dahinter?
Ich bin mir sicher danach werdet ihr euch besser fühlen und wieder die Kraft haben eure Probleme direkt anzugehen.
Wenn nicht, sucht euch Hilfe, einen Freund, ein Familienmitglied mit denen ihr sprechen könnt und wenn ihr diese nicht habt, ist das auch nicht schlimm. Geht einfach auf jemanden zu.
Das mag schwer klingen, doch glaubt mir, es ist einfacher als ihr denkt. Es gibt überall Menschen mit einem offenen Herzen, die euch mit einem Lächeln versuchen werden zu helfen auch wenn ihr euch noch nicht so gut kennt.
Wichtig ist nur, dass ihr selbst in Aktion tretet und versucht zu handeln um Veränderung zu schaffen. Ihr müsst den ersten Schritt wagen und das Saatkorn pflanzen damit eine Blume daraus gedeihen kann.
Denn wie gesagt, in den seltensten Fällen wird jemand von sich aus zu euch kommen, um eure Probleme für euch zu lösen.
Viele erkennen zwar wenn jemanden etwas bedrückt, doch die wenigsten handeln auch nach dem, was sie beobachten. Also habt Mut und handelt.

Doch auch die weißen Gedanken sollten nicht unterschätzt werden.
Sie hüllt uns in die Illusion alles sei wunderbar und unsere Kraft endlos. Auch dann wenn es in Wirklichkeit völlig anders ist. Es ist wie durch eine Rosa Rote Brille zu blicken. Die Realität verzerrt sich und wir erwarten zu viel von allem und uns. Erwartungen die so nie und schon gar nicht schnell erreicht werden können. Wir verlieren den Boden unter den Füßen und sehen nicht mehr die Fakten, die uns den Weg weisen könnten, um jene Ziele wirklich zu erreichen. Es fühlt sich gut an, keine Frage. Doch auch das weiße denken ist gefährlich.
Man sucht nach dem Guten in der Welt, wo vielleicht keines ist. Vertraut blind dort, wo Vorsicht geboten ist. Der Fall ist tief und tut schrecklich weh.
Wir müssen also auch lernen in solch einer Situation zu erkennen was echt ist uns was nur erträumt. Dürfen den Boden unter den Füßen nicht verlieren. Müssen uns festhalten.

Viele Menschen finden sich immer wieder in der Situation, in der ihnen so viel Schmerz gegenübersteht, dass sie nicht die Kraft in sich finden, sich diesem zu stellen. Sie nicht einmal in ihr Loch fallen um sich selbst zu bemitleiden, denn selbst dann müssten sie den Schmerz spüren und die Last dessen wäre untragbar. Was tun sie also?
Sie unterdrücken all ihre Gefühle.

2. DAS ELEND DER UNTERDRÜCKTEN GEFÜHLE

2.1. WIESO ELEND?

Das Unterdrücken der Gefühle, ist eine Reaktion unseres Körpers, die zu tragen kommt, wenn wir unfähig dessen werden, mit einer Situation zurechtzukommen. Man könnte es als eine Art natürlichen Schutzmechanismus unseres Körpers beschreiben. Denn in den meisten Fällen entscheiden wir nicht selbst darüber.
Es passiert einfach. Zumindest scheint es so.
In uns breitet sich ein Gefühl der inneren Leere aus, ein nebliges Grau welches uns die Sicht sowohl auf das Gute, aber auch das Schlechte versperrt. Und trotzdem nicht das Grau, welches sich in der Mitte zwischen schwarz und weiß befindet.
Es ist etwas Formloses, uns selbst aushölendes. Es lässt uns zurück mit dem Gedanken, wie je wieder etwas bedeutsam für uns sein könne.

Diese Reaktion des Körpers, obwohl sie uns zu schützen versucht, ist doch eine der größten Gefahren für unseren Geist.

Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit für Selbstverletzendes Verhalten wohl dann am höchsten, wenn dir alles egal zu sein scheint und in dir nur noch das Bedürfnis ansteigt wieder irgendetwas spüren zu wollen. Denn da liegt das Problem. Wir sind nicht darauf ausgerichtet nichts zu spüren. Wir, unser Geist will immer noch fühlen. Nur versucht unser Körper uns wohl vor dem eigenen Geist zu beschützen. Was nun passiert, ist dass wir uns in immer extremere Situationen begeben, immer mehr riskieren um diesem dumpfen Gefühl in unserer Brust zu entkommen.
Das ist gefährlich. Nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Mitmenschen.
Das Selbstverletzende Verhalten kann auch dadurch zum Ausdruck kommen, dass wir nach Konflikten suchen die eigentlich gar nicht existieren oder Entscheidungen treffen, die ganz klar negative Folgen für die Zukunft mit sich bringen werden.

Das andere Problem welches sich ergibt, ist dass all die Emotionen nicht einfach nur verschwinden, nur weil wir uns bewusst oder auch unbewusst dafür entscheiden sie nicht fühlen zu wollen. Sie werden mehr oder weniger einfach nur runtergeschluckt. Sie existieren weiter in unserem Inneren, werden jedoch nicht verarbeitet. Für sie wird nach keiner Lösung gesucht.
Es ist als würde man sein eigenes Kind, wenn es schreit, damit zügeln wollen ihm die Nahrung zu verweigern. Es wird mit der Zeit nur lauter schreien.
An dieser Stelle passt die Metapher des Fasses, welches irgendwann überläuft, wie die Faust auf‘s Auge.
In unserem Inneren existiert nur ein begrenzter Platz für dass, was wir ertragen können.
Arbeiten wir an unseren Problemen, so nimmt dieser Platz immer wieder zu. Die erdrückende Schwere nimmt ab. Doch wenn wir unsere Gefühle unterdrücken, wird der Platz immer kleiner und kleiner. Bis der Druck gegen den Deckel irgendwann unerträglich wird und er überläuft.
Dieser Moment äußert sich meistens in einem Zusammenbruch oder einer Panikattacke.
Wir sind dann nur noch in der Lage, im Extrem des völlig schwarzen zu denken und der Schmerz übersteigt häufig den des Ursprünglichen, vor dem wir eigentlich davongerannt sind.
Danach findet man sich oft sehr erschöpft. Körper und Seele. Durch den Schwall hinausströmender Emotionen, sind wir nun wieder unfähig irgendetwas fühlen zu können.
Auch dies ist also ein Kreislauf, zu dem man selbst Aktion beziehen muss um aus ihm ausbrechen zu können.

2.2. DICH TRAUEN ZU FÜHLEN

Du musst Anfangen dich selbst zu beobachten. Dich selbst bewusst zu fragen: „Was fühle ich in diesem Augenblick?“ Wenn die Antwort sein sollte, dass du rein gar nichts zu fühlen scheinst, musst du in Aktion treten und hinterfragen, welches Ereignis deinen Körper dazu veranlasst haben könnte dich schützen zu wollen. Dann versuche das Problem anzugehen.
Verwechsle jedoch nicht, das Leben erwartet nicht von dir, dass du dich immer stark fühlst.
Immer voll Wärme und Glück zu sein oder den scharfen Stich des Schmerzes zu spüren, der dir den Boden unter den Füßen wegreißt. Doch wage ich zu behaupten, dass wir alle dazu in der Lage sind den Unterschied zwischen einem neutralen Gefühl und jener inneren Leere zu spüren. Sie kommt mit einem bitteren Beigeschmack auf der Zunge und dem intuitiven Wunsch sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Diese natürliche Reaktion unseres Körpers ist auch nicht komplett schlecht oder Nutzlos.
Denn das Ziel, uns vor dem größten Schmerz zu schützen, wird durchaus getroffen und hat sicher gewisse evolutionäre Vorteile.
Nur ist diese Reaktion, wie so viele unseres Körpers, nun einmal darauf ausgelegt uns für den Moment zu beschützen. Auf Lange Sicht jedoch entstehen die von mir bereits genannten Probleme.
Es ist eine Kunst die Zeichen seines Körpers, die Zeichen die von jenseits unseres Bewusstseins zu kommen scheinen, spüren und lesen zu lernen. Die Grenze zu erkennen und oft vielleicht auch sich einfach die Zeit zu nehmen um so tiefgründig die eigenen Handlungen und Gedanken zu reflektieren. Doch ist es die einzige Möglichkeit diesem Teufelskreis zu entkommen und die Kontrolle über sich selbst und die eigene Willensfreiheit wiederzuerlangen.

2.3. INNERE STABILITÄT SCHAFFEN

Lasst uns einen näheren Blick darauf werfen, warum wir überhaupt anfangen unsere Gefühle zu unterbinden.
In welche Richtung wir auch blicken, ein Sache liegt als Ursprung immer auf der Hand. Unsere Gefühle wurden verletzt. Durch Menschen, durch traumatische Erfahrungen oder ein nicht erfülltes Bedürfnis. Oft verlangt es uns nach Dingen, dessen wir uns noch nicht einmal im klaren sind. Es verlangt uns nach zwischenmenschlichen Erfahrungen, die uns verweigert werden. Nach Dingen die wir für unser Gefühl von Freiheit benötigen, damit sowohl Yin als auch Yang ausgeglichen im Einklang in uns existieren können.

Ich selbst befinde mich zur Zeit im Urlaub und konnte durch die Umstellung meiner Umgebung und auch den damit verbundenen Möglichkeiten erkennen, was ich im Leben wirklich benötige um glücklich zu sein. Oder sagen wir besser, was ich für mein Gefühl von Freiheit brauche.
Es ist nicht die frische Brise des Meeres oder etwa genügend freie Zeit um mich vom vergangenem Stress zu erholen.
Tatsächlich fühlt die viele Zeit sich für mich oft eher bedrückend and, wie eine Schranke die mir den Weg nach vorn versperrt.
Was ich brauche, ist der Wind auf meiner Haut wenn ich renne. Wenn ich spüre wie meine Muskeln kontrahieren und mein Körper mir gehorcht. Wenn der Sauerstoff durch mein Blut zirkuliert und ich nach immer mehr Kraft frage, die mir gewährt wird. Ganz simpel ich brauche körperliche Aktivität.
Das Zweite ist das Grün von Blättern über meinem Kopf, die beruhigende Stille, in der nur das Rauschen der Äste und Flattern der Vögel zu vernehmen ist. Der frische Duft hunderter Arten, gemischt zu einer Essenz die ich überall wiedererkennen würde. Der Wald. Ein Wald, indem meine Seele ihre Ruhe findet und mein Geist die Kraft für neue Ideen sammelt.
Das Dritte, ist die Beanspruchung meines Geistes. Wissen. Irgendeine Aufgabe an der ich mich festbeißen kann und die mir das Gefühl gibt voranzukommen. Die mich herausfordert, mich an meine Grenzen bringt, mir die Möglichkeit verschafft den Fragen in meinem Inneren auf den Grund zu gehen. Auch Gott gehört dazu.
Das Vierte habe ich erst kürzlich für mich entdeckt. Es sind die Menschen, es ist die Gemeinschaft, Freunde und Familie. Die Möglichkeit meine Liebe zu geben, zu Helfen, zuzuhören, zu erzählen, zu lachen, für sie zu Kämpfen, sie zu beschützen, zu entdecken, zu erleben und gemeinsam durch dieses Leben zu schreiten, Hand in Hand.
Wenn ich diese Dinge fehlen, so spüre ich ganz konkret wie in mir ein Ungleichgewicht entsteht. Als hätte man mir die Zügel für mein eigenes Leben entrissen und ich würde in eine Richtung gehen, die ich nie betreten wollte.

Die Gefahr die eigenen Emotionen zu unterdrücken oder zum Schwarz-Weiß Denken zu gelangen, kann also unterstützt werden, wenn einer dieser Essenziellen Bausteine der Seele verloren geht.
Ihr alle habt gewisse Dinge, die ihr braucht um mit euch im reinen zu sein, auf die ihr Acht geben müsst und die für euch eine Basis schaffen, von der aus ihr die Möglichkeit bekommt auf gesunde Art und Weise mit einem balanciertem Geist zu leben.
Setzt euch nun einmal hin und denkt darüber nach, welche Sachen so essenziell für euch sind.
Versucht euch aber auf maximal fünf zu beschränken.
Nur so wisst ihr, was wirklich den größten Wert in eurem Leben einnimmt.
(Ich beziehe mich nicht auf Dinge wie Essen, Trinken und ein Dach über dem Kopf, sonder Sachen die nicht unbedingt für das Leben notwendig sind, aber euch mehr im Einklang mit euch selbst fühlen lassen.)

Kommst du also in die Situation, in der dir ein emotionales Bedürfnis verwehrt wird, versuche die Situation bewusst wahrzunehmen. Versuche dich bewusst gegen das Bedürfnis deines Körpers zu wenden, die Gefühle zu unterbinden um nicht verletzt zu werden und fühle sie.
Du hast die Kraft dazu. Es ist dir möglich diese Entscheidung zu treffen. Du wirst dich oft in der Situation finden, in der du selbst nicht willst jene Emotionen zu spüren. Doch wird es dir auf lange Sicht helfen wenn du dich sofort damit auseinander setzt, anstatt den Schmerz in deinem Inneren anzustauen. Wenn es zu schwierig wird, suche dir Hilfe und trage das Leid nicht allein auf deinen Schultern. Du wirst niemals allein sein in dieser Welt.

Ich möchte nun noch die Behauptung aufstellen, dass es zwei Arten zu geben scheint, wie wir dazu kommen unsere Gefühle zu unterdrücken. Diese müssen wir erkennen und unterschiedlich angehen.

Die erste ist die, auf welche ich mich bereits größtenteils in meiner vorherigen Argumentation bezog. Wenn wir uns in einer Situation befinden, in welcher uns ein emotionales Bedürfnis verwehrt wird und wir uns dementsprechend mehr oder weniger bewusst dazu entschließen nichts mehr fühlen zu wollen.

Die zweite kommt zu tage, wenn demjenigen ein wirklich traumatisches Ereignis wieder fahren ist, mit dem der Geist allein nicht fertig werden kann und sich somit selbst schützt. Solche Situationen sind ernstzunehmen und nicht zu unterschätzen. Die Suche nach professioneller Hilfe zur gesunden Bewältigung jener Erfahrung wird strengstens empfohlen.

Haltet also die Augen offen. Horcht in euren Körper hinein wenn ihr euch in einer stressigen Lage gegenüber steht. Lernt kennen, was eure innere Ruhe wieder herstellt und habt den Mut in Aktion zu treten. Bleibt nicht auf einer Stelle stehen sondern handelt und stellt euch euren Problemen selbst, nur so könnt ihr auf Besserung hoffen. Habt Mut und sprecht. Es gibt viele die auf eure Worte warten und euch zuhören.
Auch wenn der Tunnel endlos erscheint oder das Licht zu grell ist um eine Silhouette erkennen zu können, habt Mut und schreitet voran. Jeder Tunnel endet einmal. Irgendwann bläst der Wind eine Wolke vor die Sonne. Irgendwann werdet ihr die reale Schönheit dieser Welt wieder erblicken können, wenn ihr nicht stehen bleibt.
Mit diesen Worten, Gott sei mit euch.

*NACHWORT: Einige der Beschreibungen, könnten an die Diagnose der Bipolaren Störung erinnern. Das von mir erklärte basiert jedoch auf anderen Erfahrungen, die damit nichts zutun haben. Die Bipolare Störung ist eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Es soll nicht der Eindruck entstehen, ich würde diese unterschätzen.
Des weiteren spreche ich den Leser in diesem Essay direkt an. Dies soll jedoch nur dazu dienen, denen die tatsächlich betroffen sind das Nachvollziehen meiner Gedanken zu vereinfachen. Keinen Falls soll sich jemand von meinen Worten bedrängt oder beschuldigt fühlen. Ich bitte um Verständnis.

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Categories Observations, Everything is going to be alright