#7 Lost Souls

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LOST SOULS

WAS PASSIERT MIT UNS ?

Schaut auf die Welt in ihrer vollen Pracht. Ihrem Orchester an Geräuschen, Gerüchen und Geschehnissen, die zu schätzen und deuten einstig der Mensch geschaffen wurde.

Goldene Sonnenstrahlen fallend auf das weiße Federkleid des Täubchens, welches anmutig auf die Erde herabgleitet und landet im klebrigen Schlamm einer Pfütze.

Immer wieder beschleicht mich das erdrückende Gefühl, der Mensch habe seine Verbindung zu dieser Welt verloren. Habe sich bewusst von ihr gelöst und seine Seele für das oberflächlich unproblematischste Leben verkauft.
Frei von jeglicher Fantasie. Verloren aber aller Freiheit.
Gefangen in einer selbstentworfenen Lüge.
Ein Leben ohne all die tiefgreifenden Emotionen, ohne das obsessive Herz des Träumers, der in seinen Bildern nach der Wahrheit sucht und sich findet in Schmerz und Zerstörung.
Zurückbleibt mit blutendem Herzen.

Doch warum hat sich die Gestalt unserer Welt so sehr verändert?
Veränderung ist eine Konstante des Universums, doch soll der Mensch als Sozialwesen wirklich als Einzelgänger enden?
Vielleicht ist er sogar schon zum Einzelgänger mutiert und gibt in seiner Lüge nur noch vor als Team zu arbeiten.
Die wahre Liebe für den Geist eines anderen, scheint erstickt worden zu sein. Gepeinigt
durch Nichtigkeiten und von Lust getriebenen.
Die uns verliehenen Fähigkeiten nutzen wir nicht. Denken wir sind besser als Tiere, doch leben eigentlich nur noch nach tierischen gelüsten.
Der moderne Mensch hat seine Seele an den Pudel verkauft und lebt als ein nun mehr Schatten seiner selbst. Alle sind das Abbild ihres Nachbarn und jede Individualität geht verloren, ob wohlgleich Individualismus das neue Staatsgesetz ist.
Das Spiel, welches wir spielen ist doch paradox. Wir geben vor genau das Gegenteil von dem zu sein was wir eigentlich verkörpern.
Ich denke alle wissen das und doch sagt keiner etwas.
Mit seinem Geist gefangen in der technischen Dimension, wird er immer mehr selbst zur Maschine und fürchtet doch von ihr ersetzt zu werden. Wenn er sich fallen lässt in diese Anonymität, sich darin verliert und seine Moral nie auch nur kennenlernt.
In dieser Generation nun schon von klein auf.
Dann können wir uns nicht einmal mehr als Tiere bezeichnen. Wir sind nichts weiter als verlorene Seelen, die den Weg zu ihrem Zuhause verloren haben.

Aber was wird aus den verdammten, die ihre Seele nicht verkauft haben? Die sich nun verloren fühlen in dieser kalten Welt der Ignoranz, einsam mit ihren Gefühlen, verstanden nur von Gott. Denn es sind wohl diese Träumer, die sich den Frieden und die Wahrheit auf diese Welt hinab wünschen.
Die das Reich Gottes in ihren Herzen missen, sich sehnen nach dessen Präsenz.
Gott reicht ihnen die Hand. Doch wer noch? Es scheint so dunkel wenn wir in die Weite dieser Welt blicken.

OBERFLÄCHLICHE ZUGEHÖRIGKEIT

So lange ich lebe, gibt es eines was ich nie verstanden habe. Der Grund, weshalb so viele versuchen zur Masse zu gehören. Sei es nun das Verhalten oder das Aussehen. Selbst unsere Hobbys scheinen oft nur dem Zweck zu dienen durch Gemeinsamkeiten zu einer Gruppe zu gehören.
Vor kurzem habe ich mit einem Freund, den ich noch nicht lange kenne, ein sehr tiefgründiges Gespräch geführt. Wir haben festgestellt, wie oft Menschen nur sprechen um sich selbst reden zu hören. Seine Worte waren in etwa: „Ständig sprechen die Menschen, aber nur selten sagen sie wirklich etwas.“ Für die Anonymität lassen wir alles links liegen, was zur eigentlichen Gesundheit unseres Geistes notwendig wäre und leben stattdessen in einer Welt voller Oberflächlichkeiten. Daraus ergeben sich zwei Probleme, die mir direkt ins Auge fallen.

Wer kennt sie nicht, diese Leute, die scheinbar hunderte von Freunden haben. Aus irgendeinem Grund kennen sie gefühlt jeden und verstehen sich prächtig mit ihnen.
Warum ist das wohl so?
Ganz einfach, weil diese Freundschaften nur auf einem leichtfertigen Niveau geführt werden, auf dem es keine Basis gibt, aus der Probleme heraus entstehen könnten.
Auf diesem Level ist es extrem einfach, dem Gegenüber lediglich Honig um‘s Maul zu schmieren, es gut fühlen zu lassen und so als positiver Kontakt verknüpft zu werden. Diese Menschen sind also nicht unglaublich sozial, wie viele auf den ersten Blick bestimmt oft denken. Sie wählen nur eine unverbindliche Art für ihre zwischenmenschlichen Interaktionen.
Ich finde diese Definition von Freundschaft jedoch überaus fragwürdig. Klar ist, wenn man sich nicht tiefgehend kennt, so ist meist auch kein Material für potentielle Probleme vorhanden.
Genauso wenig jedoch auch die Möglichkeit, potentielle Hilfe von diesem Menschen zu erwarten. Dinge wie Loyalität und echte Empathie gehen in einer solchen Beziehung verloren und verdienen von mir daher nicht wirklich den Begriff einer echten Freundschaft. Ich denke es gibt einen genauen Grund, warum Menschen dazu tendieren, lieber solche oberflächlichen Beziehungen einzugehen.
Dies mögen individuelle Ursachen sein. Alle gründen jedoch darauf, dass es erstmal auch für einen selbst deutlich weniger emotionalen Aufwand bedeutet, als in einer wirklich engen Beziehung zu jemandem zu stehen. Denn nicht nur in romantischen, auch in freundschaftlichen Beziehungen muss viel kommuniziert werden um eine gesunde Ausgewogenheit zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen der anderen Person zu erlangen. Des weiteren, ist der mögliche Verlust eines Freundes zu dem keine tiefe Beziehung existierte, deutlich weniger schmerzvoll.
Dieses Phänomen findet man häufig an Orten, in denen es sowieso zur Ansammlung großer Menschenmengen kommt. So etwa in der Schule, Uni oder dem Sportverein. Viele der Freundschaften, die man dort knüpft, sind nichts als Zweck Freundschaften.
Denn so unternimmt man nur in seltensten Fällen mit dem Sportkumpel auch Außerhalb etwas. Sie sind durch eine Gemeinsamkeit verbunden und das ist völlig in Ordnung. Worauf ich jedoch aufmerksam machen möchte, ist das der Mensch auch tiefer gehende Beziehungen benötigt, um einen mental gesunden Zustand bei zu halten und sich solche Zwecks Beziehungen nicht durch alle Lebenslagen, ohne Ausnahmen ziehen können.

Das zweite Problem, ist eben jene Gesundheit unseres Geistes. Es ergeben sich immer Möglichkeiten unsere physische Gesundheit zu fördern. Durch Ernährung, ausreichend Bewegung und Schlaf. Doch woran viele nicht denken, ist das wir auf gleicher Ebene auch die psychische Gesundheit pflegen müssen.
Wenn wir immer Anonymer werden und nur noch selten eine ehrliche und tiefgehende Freundschaft oder zwischenmenschliche Beziehung anderer Art erfahren, fehlt uns die Befriedigung nach dem natürlichen Bedürfnis zu emotionaler Intimität. Dem Bedürfnis verstanden und tatsächlich geliebt zu werden. Dem Bedürfnis von jemandem gebraucht zu und ernst genommen zu werden.
Die Spezies Mensch hat immer schon in größeren Gruppen gelebt, nie waren wir so isoliert wie wir es heute sind. Ich denke dass diese Isolation nun zu vielen heute immer häufiger auftretenden psychischen Problemen führt.
Wenn sich alle so verhalten, wie kann ich jemandem noch vertrauen? Wie kann ich mit Sicherheit wissen dass er mir nicht nur etwas vorspielt? Wie kann ich darauf vertrauen dass er mir im entscheidenden Moment zur Seite steht und nicht in den Rücken fällt?
Dieses Bedürfnis nach Nähe und Standfestigkeit entsteht wohl in früher Kindheit durch die Beziehung zur Mutter. Durch die Anonymität widersetzen wir uns somit mehr oder weniger einem Gesetz der Natur. Natürlich ist dieses Unterfangen von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Ich frage mich jedoch, was der Auslöser ist, was der Ursprung dieses Verhaltens gewesen ist.

ANGST UND KONTROLLE

Betrachten wir es nochmal von außen. In meinen bisherigen Behauptungen, hat das Internet, besonders Social Media dazu beigetragen, dass wir uns immer mehr voneinander wegbewegen. Einfach weil es uns die Möglichkeit gibt sich hinter einem Bild oder unbedeutenden Worten zu verstecken. Noch dazu gibt uns die moderne Welt einfach alles, was wir brauchen um uns abzugrenzen wenn wir das wirklich wollen. Wir haben die Möglichkeit von zuhause zu arbeiten oder zu studieren und müssen uns dafür nicht zwingend in das Getümmel stürzen. Wir müssen auch nicht mehr einkaufen gehen, sondern können uns alles direkt vor die Haustür liefern lassen. Im Endeffekt liefert uns die moderne Welt also einfach völlige Unabhängigkeit von einander.

Damit es zur Anonymität kommt, muss es also ein Bedürfnis in der Natur des Menschen geben, welches das nach Gemeinschaft und gegenseitigem Verständnis übertrifft.
Hier gibt es ebenfalls wieder zwei Eigenschaften, die mir direkt ins Auge Fallen und das Potenzial haben jener Auslöser zu sein.

Der Mensch hat gerne alles unter seiner Kontrolle. Es ist wie das Bedürfnis nach Macht, denn Kontrolle ist Macht. Wenn er die Zügel in der Hand hält und die Entscheidungen treffen kann, ist er sich aller Konsequenzen bewusst und erlangt somit ein Gefühl der Sicherheit, welches vielleicht sogar mit der Sicherheit die eine Gemeinschaft bieten könnte verglichen werden kann.
Diese Unabhängigkeit nimmt für ihn also einen sehr großen Stellenwert ein, für den er bereit ist einiges zu opfern. Das ist zumindest eine Seite der Münze.
Was ist jedoch, wenn uns Social Media in immer kürzere Denkmuster zwängt? Wenn wir dem schnellen, leicht zu erlangendem Glücksgefühl nachjagend immer weniger Gehdult und Sinn für tiefes aufbringen?
Dann wird der Mensch zu faul für Entscheidungen und unfähig Verantwortung zu übernehmen. Nicht für sich und erst recht nicht für andere.
Diese beiden Betrachtungsweisen sind von Grund auf verschieden und doch spiegeln sie eine Gemeinsamkeit wieder. Nämlich wie simpel unser menschliches Gehirn eigentlich funktioniert. Wie es immer den einfachsten Weg sucht. Entweder durch direkte Kontrolle oder Passivität.

Gepaart ist diese Unabhängigkeit noch mit der eigenen Verletzlichkeit. Es ist schier Angst die uns in die Anonymität zwängt. Angst verurteilt zu werden. Angst nicht dazu zu passen. Angst vor Konfrontation. Wenn wir selbst nicht stark genug sind jenen Konflikten entgegen zu treten, nicht erkennen wollen dass es vielleicht Dinge in uns gibt, die wir direkt angehen müssen, so ist es ein leichtes durch Abgrenzung diesem Schmerz zu entgehen. Es ist die Angst verletzt zu werden. Die natürliche Reaktion des Menschen Konflikten aus dem Weg zu gehen, die überwiegt dem Bedürfnis nach Liebe.
Also ist Anonymität auch gleich Selbstschutz.
Ich denke jedoch, das eher der Begriff Selbstzerstörung passen würde. Denn auf diese Weise bleiben wir immer hängen an dem Punkt an dem wir stehen und können uns nicht weiterentwickeln.
Zur Entwicklung gehört die Erfahrung vom guten aber genauso besteht auch eine Notwendigkeit zur Erfahrung von schmerzvollem. Wir müssen uns dieser Angst stellen um unsere Gesellschaft wieder gesund werden zu lassen.

Natürlich spielt die Entwicklung hier auch wieder eine Entscheidende Rolle. Zwar habe ich dieses Phänomen überall verteilt in der Gesellschaft beobachtet. Bin mir jedoch sicher behaupten zu können, dass es in der jungen Generation deutlich drastischer ausgeprägt ist als bei etwas älteren Menschen. In ihrer Kindheit, der Phase in der sich das Gehirn am meisten entwickelt und die Bausteine für Verhalten und Charakter gelegt werden, spielte Technologie eben keine große Rolle. Sie sind noch mit anderen Werten groß geworden, die nun im Erwachsenenalter nur noch bedingt geändert werden.

DIE GRAUE MASSE

Zu den Ursachen der Anonymität kommt nun noch die Umsetzung hinzu. Wie wir uns nach außen hin zeigen, sowohl im Verhalten als auch unserem Aussehen, ist eine Anpassung an die Breite Masse. Wir sind uns nun nicht mehr nur durch die menschliche Natur verbunden, sondern auch durch stumpfe Nachahmung.
Ist das nicht paradox? Innerlich entfernen wir uns immer weiter von einander doch von außen betrachtet scheinen wir uns alle näher zu kommen.
Im Prinzip ist es jedoch das gleiche. Wenn wir durch das, was wir Preisgeben keine Fläche zum Angriff bieten, müssen wir uns keine Sorgen machen verletzt zu werden. Wenn alle sich gleichen müssen sie ja auch akzeptiert werden.
Selbst wenn wir die Moral eigentlich gar nicht unterstützen wollen, ist die Angst, hier davor ausgeschlossen zu werden und so sogar die oberflächlichen Beziehungen zu verlieren, größer als das Bedürfnis nach ethischer Reinheit in einem selbst.
Es geht nicht darum dem nachzueifern was einen beeindruckt, sondern nur den Gedanken nicht ertragen zu müssen ausgeschlossen zu werden.
Eine solche Person ist wie ein Floß, dahintreibend im reißenden Fluss. Sie ist schwach. Ihr fehlt ein Segel mit dem sie gegen den Wind ankommt und die Richtung selbst bestimmen kann.

Die Gesellschaft braucht oft lange um das zu akzeptieren, was sie zuvor noch nicht gekannt haben.
Doch ergibt sich das Problem, dass wir in all diesem Schein langsam aber sicher vergessen wo eigentlich das „Ich“ zurückgeblieben geblieben ist. Wer wir eigentlich sind und welche Werte wir vertreten. Wenn die Anpassung in schon so jungem Alter beginnt, wie sollen diese Kinder überhaupt jemals herausfinden wer sie sind? So werden wir mehr und mehr zu Robotern, denn wir verlieren dass was uns menschlich macht, was uns liebenswert macht.
Es ist ein Kreislauf. Uns wird die Möglichkeit genommen, einen anderen tiefgehend kennenzulernen. Wie willst du schließlich jemanden kennenlernen, der sich selbst noch nicht einmal kennt?
Sich nie die Zeit genommen hat, zu hinterfragen was in ihm steckt.
Mit der Zeit verlieren wir selbst die Fähigkeit noch zu unterscheiden was ehrliches Gefühl ist und was nur getäuschtes.
Oh, wir Menschen verletzten uns gegenseitig. Ein jeder Mensch ist des nächsten natürlicher Feind und größtes Glück.

In dieser Gesellschaft existier nun die Auffassung, dass Schwäche jeder Art fast schon eine Sünde gegen einen selbst sei. Durch die Form des heutigen Lebens werden wir dazu gebracht uns gegenseitig auszubeuten um zu überleben. Gefühle sind dabei natürlich der offenste Angriffspunkt.
Doch was ist der Mensch ohne Gefühle? Er ist ein Tier und ein grausames noch dazu. Ein Tier wird immer einen Grund kennen zu töten und zu verletzten.
Doch der Mensch ist das einzige Tier, dass aus purer Freude am Spaß töten kann.

WIR, UNSER EIGEN FEIND

Folgende Situation soll nun veranschaulichen, wie ich zu den eben genannten Schlüssen gelangt bin.
Ich bin schon seit einiger Zeit in Bekanntschaft mit einem etwa 14 jährigem Jungen.
Entsprechend befindet er sich in der von mir beschriebenen Situation also noch in einer völligen Entwicklungsphase. Eine Zeit der Teilung. Körper und Geist durchlaufen große Veränderungen. Und man wird vor die Entscheidung gebracht, wer man eigentlich sein möchte in diesem Leben. Selten treffen wir diese Entscheidung bewusst. Oft einfach nur aus einem Impuls heraus. Mit Sicherheit werden wir immer von unserem Umfeld oder auch dem Internet beeinflusst, und unsere freie Wahl besteht nur noch in der Möglichkeit „nein“ zu sagen, zu den uns umgebenden.
Doch wer in dem Alter ist stark genug eine solche Entscheidung zu treffen? Die wenigsten.
In den meisten Fällen hat so ein junger Mensch dann die Möglichkeit zwischen zwei Potentialen, die in ihm stecken, zu „wählen“.
Der Junge von dem ich spreche, war mir besonders durch seinen blitzschnellen Humor im Gedächtnis geblieben.
Er besaß die Gabe, besonders kleine Details an seinem Gegenüber aufzuschnappen und in kleine Witze zu verwandeln. Doch wie ich selbst feststellen konnte, besitzt er auch ein gutes, ehrliches Herz. Hinter all dem Sarkasmus steckt doch ein Mensch, der sich eigentlich für alle das Beste wünscht, sie eigentlich gern in Schutz nehmen möchte.
Nur war es bereits in so jungen Jahren bei ihm zu merken, dass er diese wunderbar ehrlichen Gedanken zu verbergen wusste.
Wohl war dem armen Jungen schon damals erkenntlich gemacht worden, dass diese Form der Ehrlichkeit und Fürsorge als persönliche Schwäche in unserer Gesellschaft gilt.
In kleinen, scheinbar nebensächlichen Fragen und Bemerkungen, konnte ich jedoch klar erkennen, dass er mehr sah, mehr dachte und hinterfragte als er vorgab.
Oft geschieht so viel um uns herum, dass wir die wirklich wichtigen Dinge übersehen. Das wir nicht erkennen wer eigentlich vor uns steht.
Ich sah ihn nun ein ganzes halbes Jahr nicht mehr und natürlich hatte er sich in dieser Zeit, so jung wie er noch ist, stark verändert.
Doch hat er die Richtung eingeschlagen, die ihn immer weiter weg führt von der Wahrheit. Er hat sich dafür entschieden eine Maske zu tragen und sein authentisches Selbst zu verbergen, sich vor seinen Gefühlen zu verstecken. All dies bringt er ins Leben, durch die Beleidigung anderer.
Sein Talent für das Erkennen von Details nutzt er nun um die Schwächen einer Person zu entdecken und sie direkt damit zu konfrontieren. So erhofft sich die Jugend, ihre eigenen Schwächen zu verbergen. Beschützt zu bleiben. Doch steckt in diesem Verhalten meiner Meinung nach mehr Eigenschaden als Selbstschutz.
Denn was gibt es schlimmeres für die Seele als die Verleugnung des eigenen authentischen Selbst?
Der arme Bursche hat sich verloren.
Was glaubt ihr hat er zu mir gesagt?
Er gab einen Haufen unüberlegter, zusammengestammelter Worte von sich, die mich verunsichern sollten. Ja hat er mir sogar „aus Spaß“ vorgeschlagen, er könne mich ja mal schlagen. Der Grund dafür war völlig unersichtlich.
Das einzige was ich sah, war ein hilfloses Kind, welches sich aus Angst vor Ablehnung an diese ausgekühlte Gesellschaft anzupassen versuchte, und so schenkte ich ihm mein ehrliches Lächeln.
Dieser Junge, hatte meines Wissens nach weder die einfachste noch traumatischste Kindheit. Ich würde behaupten, entsprechend dem was ich über ihn in Erfahrung gebracht habe, nahm sein bisheriges Leben wohl größtenteils die Form der Allgemeinheit an.
Ihr seht also, wie einfach es ist sich mit nur einer, oft sogar unbewussten, Entscheidung selbst zu verlieren und zum lebendigen Geist zu werden.
Seine Seele ist nicht verloren, sie schlummert noch in ihm, liegt in seinen Augen, diesem klaren Blick. Doch sie wird eingesperrt, weggeschlossen, des Schlüssels entledigt und am Ende verdammt dazu immer weiter zu verkümmern.

DER WEG BLEIBT VERSPERRT

Die Anonymität wächst in unserer Gesellschaft wie ein riesiger Organismus penetrierender Tumor.
Jeder kann auf das Leben seines Gegenübers Einfluss ausüben. Doch gleicht sich die Waage nicht mehr aus. Denn wir umgehen der früheren Notwendigkeit gleichermaßen auch einen teil von uns preiszugeben.
Es ist Nehmen ohne zu geben. Nutzen ohne zu Helfen.
Es ist Rauben oder beraubt werden. Töten oder getötet werden.
Nur geht es nicht mehr um den fleischlichen Körper, sondern die zerbrechliche Seele.
Doch genau diese Anonymität stillt auch den Durst des Menschen nach eigennütziger Macht, Kontrolle über andere.
Es erscheint wie eine Strafe des Himmels, dass selbst der reinste, sündenfreiste von uns den Gedanken in sich trägt, seinen Nächsten auszunutzen, wenn sich die Chance ergibt.
Er muss nicht danach handeln. Schon im Gedanken beginnt die dunkle Energie, die ihn von innen zerfressen wird. Wie ich schon sagte, der Mensch ist ein reinstes Paradoxon.
Auf so viele Weisen, ist er immer auf der Suche nach dem Besten für sich selbst und handelt doch so am selbstzerstörerischsten.
Wie eine Eisenkette, uns bindend an diese Weltlichkeit, das Paradies des Friedens auf Erden verhindernd.
Ich habe es in meinen Texten schon oft erwähnt. Vielleicht liegt genau darin unsere Prüfung. Sind wir als Lebewesen dazu in der Lage, diese Ketten durch unseren Willen zu durchbrechen und nach langer Zeit des Kampfes endlich dem Mann in Leid voller Liebe die Hand entgegen zu reichen?

Kann Nächstenliebe in so reiner Form überhaupt existieren?
Sie muss. Denn Christus hat für all unsere Sünden am Kreuz geblutet. Seine Vision wäre keine, wenn sie im menschlichen Character nicht möglich wäre. Der Mensch muss zuerst von seinen eigenen Nöten und Bedürfnissen ablassen. Muss zuerst und in vollem Ernste erkennen, dass es etwas höheres gibt als ihn und viele andere die ihn brauchen.
Dann wird er auch fähig sein, seinem nächsten urteilsfrei gegenüber zu treten und ihn zu lieben wie sich selbst. Und wenn alle lernen so zu lieben, wie kann einer dann noch unglücklich werden?
Wenn jeder sich frei dazu entscheidet sein täglich Brot zu teilen, wie kann dann je einer nicht vollkommen satt sein?
Seht ihr nun das Problem, welches uns im Kreise drehen lässt?
Diese Bedürfnisse werden alle befriedigt, wenn wir in jener Nächstenliebe zusammen leben, doch der Weg dort hin wird uns versperrt gerade weil wir an diese Grundbedürfnisse gebunden sind.
Weil wir unser Brot brauchen und dem Nächsten nicht vertrauen können. Und der Nächste dem Nächsten nicht.
Nur wenn alle am gleichen Strang ziehen, ist dieses Paradies auf Erden überhaupt möglich. Und diese Menschen existieren. Es gibt tausende von ihnen die nach dem Weg Christi leben und ihr eigenes Wohl gleichsetzen mit dem aller anderen.

Diese Problematik wurde auch schon in Dostoevsky‘s Parabel „Der Großinquisitor“ aufgegriffen. Mehrfach wird darauf eingegangen, Christus hätte in seinem Handeln, in seinem Vordern der Menschheit Unrecht getan, da nur so wenige von den Milliarden dazu in der Lage sind, die Last der Freien Wahl, des Glaubens ohne Wunder auf sich zu nehmen. Er Beschreibt wie es immer wieder zu Kriegen kommt. Geführt von den Regimen des Glaubens. Weil der Mensch danach strebt, immer alle zu einer einzigen großen Organisation zu vereinen.
Doch wir können nicht alle gleich sein. Wir können nur gemeinsam unterschiedlich sein.
Nun so glaube ich, dass es nicht nur wenige Auserwählte gibt, die zu leben vermögen wie Christus, doch dass diese urtümliche Vernunft uns allen einverleibt ist. Durch Toleranz würden wir ganz von selbst zu einer vereinten Gesellschaft zusammenwachsen.

Wenn alle sich jedoch immer weiter in dem Kreislauf der Anonymität verlieren, wie soll einer jemals wieder den Mut aufbringen, anderen Vertrauen zu schenken?
Wie soll er den anderen vertrauen, wenn er sein Leben lang gelernt hat, dass er nur sich selbst trauen kann? Und wenn er anderen nicht vertraut, so kann er ihnen auch kein eigenes Trauen entgegenbringen.
Wir belügen und ignorieren uns gegenseitig und so herrscht mehr Schmerz als jemals zu lernen vorgesehen war.

Können wir unseren „Nächsten“ unsere Laster, unser Leid nicht mehr beichten, wohin dann damit? Alles in uns aufzustauen halten wir nicht aus. Der Frust wird an alle und jeden geschickt. Wieder gut getarnt durch eben diese Anonymität. Sie ist wie ein falscher Freund, der dich manipuliert und dann selbst zum Bösewicht werden lässt.

LOST SOULS

Wie die Pest sich langsam über die Gesellschaft ziehend. Eine hoch ansteckende Krankheit, die allen das Leben aushaucht.
Nun leben wir in einer Welt voller Toter.
Und wenn nun das wirklich Wichtige, das Fragen, als Schwäche angesehen wird, was bleibt einem dann noch, als über die Nichtigkeiten dieser Existenz zu philosophieren?
Über Essen, Videospiele, Konzerte oder irgendwelche Fremden, die man noch nicht einmal versucht zu verstehen.
So verliert der moderne Mensch sich im Materialismus und vergisst dabei allen Sinn im Dasein. Oder besser gesagt, die Suche nach dem Sinn.
Es scheint als würden wir in unserer selbst erbauten Realität immer mehr die Absurdität der eigentlichen Existenz vergessen.
Unserer Situation auf einer rotierenden Gesteinskugel irgendwo im Nirgendwo.
Sie vergessen Gott und ihren Beschützer. Erklären sich selbst zum König dieser Welt.
Denken ihre Fußabdrücke hier wären von Dauer.
Es ist eine Farce. Die Menschen vergessen dass sie Menschen sind und fragen nun nicht mehr nach dem Sinn, sondern nach dem Snap.
Anstatt sich Briefe zu schreiben, sich gegenseitig zu lieben und mit Respekt zu behandeln, sendet man sich nur noch Abkürzungen, da für mehr keine Zeit ist und beleidigt sich gegenseitig aus vollem Wohlwollen heraus.
Die Zeit vergeht heute nicht schneller und auch der Wert jedes Individuums hat sich nicht verändert. Nur der Mensch hat seine Seele verkauft, für nichts als Schmerz.
Noch nie herrschte das Paradies auf Erden. Noch nie gab es überall Frieden und die Wahrheit.
Doch waren wir auch noch nie soweit davon entfernt wie heute.

Was wird in dieser Gesellschaft aus den armen Seelen, die sich ihrer noch voll bewusst sind?
Was wird aus diesen ausgestoßenen fühlenden?

“Jesuha und David” eine Kurzgeschichte über Verständnis

Die Kühle der Abendluft glitt durch Jeshua‘s offenes haar und ließ es im Wind tanzen.
Ein Gefühl durchströmte ihn, so befreit von allem weltlichen, eins mit sich und dem Universum. Allein, nur die Natur als sein Begleiter, sich vor ihm schier endlos in die Länge ziehend. Er streckte die langen, schlanken Arme zu beiden Seiten aus und spürte den Widerstand des unsichtbaren Elements bis in seine Fingerspitzen. Tief sog er die Luft in seine Lunge ein.
Frischer Moschus des Waldes, welcher ein paar hundert Meter rechts von ihm begann, eine zarte Note frischen Lavendels, das frische Grün zu seinen Füßen und der leicht schweißige Geruch vor nicht allzu langer Zeit vorbei kommender Tiere. Alles vereint zu einer Essenz, die man nur als den Duft des Lebens bezeichnen könnte.
Die Augen zusammen kneifend, blickte er auf die sich nun langsam rötlich verfärbende Landschaft. Die letzte Wärme der untergehenden Sonne ließ seine Haut angenehm prickeln. Er schloss langsam seine Augenlider.
‚Wie nur kann man nicht glücklich sein auf dieser Wunderlandschaft Namens Erde?‘
Er fühlte sich unbeschreiblich lebendig. Mit einem zarten Lächeln auf den Lippen, öffnete er die Augen wieder und wand seinen Blick zu der Stimme, die er aus seinem Rücken kommend vernommen hatte und nun schon zum wiederholten Mal seinen Namen zu rufen schien.
Jeshua begab sich auf den Weg zum Ende des Hügels, wo seine Kameradin ungeduldig auf eine Reaktion von ihm wartete. In seinem Rücken, ging der Feuerball am Horizont hilflos unter und tauchte die Welt in das dimme Licht der nahenden Nacht.

Jeshua verbrachte eine nicht zu gewöhnliche, aber auch nicht außergewöhnliche Kindheit.
Seine Eltern waren weder Arm noch reich. Sein Zuhause, fern ab von jeglicher Provinz in der Nähe eines Waldes. Alleingelassen an den Nachmittagen, kannte er oft nur seine Fantasie als Spielpartner.
So lernte er Dinge zu sehen, die anderen unentdeckt blieben.

Eines dieser blinden Dinge, war ein dunkler, schwarzer Schatten, der ihn überall hin zu begleiten schien.
Zwar begegnete er ihm fast nie direkt, doch befand sich der Schatten immer irgendwo in der hintersten Ecke seines Augenwinkels. Wie ein großer dunkler Schlund, nur darauf wartend ihn im ganzen zu verschlingen. Jeshua verabscheute diese Kreatur. Doch seine Angst vor ihr war von noch viel unverständlich höherem Maß.
Trotz dessen, aus völlig paradoxer Natur, fühlte Jeshua sich zu dieser Kreatur hingezogen. In dem Schatten schien sich alle Negativität dieser Welt zu einen. Und überall hin folgte ihm dieses Leid der Welt.
Besonders deutlich konnte er den Schatten sehen, wenn er in der Schule unter Gleichaltrigen war. Wenn sie zusammen spielten oder lernten. Doch für alle außer ihn war der Schatten unsichtbar.
Zwar gewann er nie an Einsicht darüber, wieso ihm diese Gestalt folgte, doch gewöhnte er sich mit der Zeit an dessen ständige Präsenz.
Jeshua taufte sie unter dem Namen „schwarzer Schatten“. Die anderen Kinder glaubten seinen Behauptungen jedoch nicht. Für sie war schwarzer Schatten nur ein Spiel.
Eines Tages jedoch, verließ ihn schwarzer Schatten.
Weg, so als wäre er nie da gewesen. Doch was blieb, waren die Gedanken, das Gefühl seiner Präsenz wie ein Parasit im Bewusstsein des Jungen. Der schwarze Schatten hatte nie gesprochen, nie gehandelt. Er war nur da, in seinem Blick und jetzt seinem Gedächtnis und ließ ihn alle Sünden dieser Welt spüren, alle Trauer derer die ihn umgaben, als wäre es sein eigener Schmerz.

Er schritt nun den eng gewundenen Pfad hinab zu dem Haus, in dem er und seine Klassenkameraden während des Ausflugs untergekommen waren. Die, dessen Stimme ihn aus seiner Träumerei weckte, war bereits ohne ihm eingetreten und so öffnete er allein die Tür der Jugendherberge und betrat den überfüllten Esssaal.
Gerüche überfluteten ihn. Geräusche aus jeder Ecke des Raumes auf ihn einströmend, erfüllten ihn. Schnell nahm er sich einige der noch übriggebliebenen Speisen vom Buffet und setzte sich an den Tisch seiner Freunde.
Sie hatten seine Abwesenheit scheinbar gar nicht bemerkt. Redeten über die Mädchen am Nachbartisch und wie sie sich später in ihr Zimmer schleichen würden.
Als einer der Jungs ihn nach seiner Bereitschaft fragte, wusste Jeshua gar nicht was er eigentlich von ihm wollte. Er hatte nur Bruchteile der Konversation verfolgen können, abgelenkt von all den Farben um ihn herum und erntete dafür wieder nur genervtes Stöhnen. „Hörst du uns eigentlich jemals zu?“ ‚Ich wünschte ich könnte, ich wünschte ich könnte.‘

In seiner Brust breitete sich ein mulmiges Gefühl aus, wiederspiegelnd der früheren Anwesenheit des Schattens. Nur schien es sich diesmal um sein eigenes und nicht dass Gefühl der anderen zu handeln.
Wo war die Hoffnung seines einsamen Friedens in der Natur geblieben? Denn jetzt wo er unter Leuten war, fühlte Jeshua sich so unbeschreiblich allein, dass er dem Gefühl nicht länger stand halten konnte.
Er verabschiedete sich, ohne Antwort von seinen Klassenkameraden, und ging auf das geteilte Zimmer. Sein Teller, kalt geworden jedoch kaum angerührt stand noch immer dort wo er wenige Minuten zuvor gesessen hatte.
‚Ich habe versagt.‘
Mit diesem Gedanken schloss er seine Augen und hieß die kühle Brise der Nacht und das Licht des Vollmondes durch das offene Fenster auf seinem zitternden Körper willkommen.

Als kleines Kind, war Jeshua aufgeweckt, offen und ist immer sofort auf alle zugegangen. Jedoch war er auch kränklich, litt an einer Asthma Erkrankung und verbrachte so viele Wochen immer wieder Zuhause hinter den Toren, die ihn vor der Außenwelt verbargen.
Ausgeschlossen vom lebendigen Gelächter der Kinder, die seine Freunde hätten sein sollen.
Eines Abends, im Alter von gerade einmal vier Jahren, saß er in seinem dunklen Zimmer und fragte sich, an die Decke starrend, wieso das Leben nicht auf bizarre Weise völlig anders sein könne. Es war kein Vorwurf an das Leben, kein Mitleid an sich selbst in seiner isolierten Situation. Vielmehr wie eine Eingebung schon vor langer Zeit über das Leben gehört zu haben, jedoch die falschen Vorstellungen mitgebracht zu haben.
Wenn er seine Erkrankungen nach schier endloser Zeit der Langeweile überwunden hatte, ging er wieder fröhlich wie eh und je auf die anderen Kinder zu und schloss im Nu neue Freundschaften.
Keinen schien es zu geben, ob alt noch jung, der den kleinen Jeshua mit seinem offenen und freundlichem Herzen nicht leiden konnte.
Jedoch nahm Jeshua diese Freundschaften nie auf die leichte Schulter.
Schon damals war er zu nichts geringerem in der Lage, als einen jeden den er kennenlernte aus tiefster Ehrlichkeit heraus vollkommen zu lieben.
Er tat sein aller möglichstes, um seinen Freunden in allen Lebenslagen zur Hand zu gehen, sie lachen zu sehen und auch wenn sie weinten an ihrer Seite zu stehen.
Jeder von ihnen nahm einen bedeutsamen Platz in seinem Herzen ein. Er hatte so viel Liebe zu geben, dass sie so unersättlich schien wie die Leuchtkraft der Sonne.
Wenn er nach wenigen Wochen wieder der Krankheit verfiel, war oft seine einzige Hoffnung all diese guten Freunde bald wieder sehen zu können.
In seiner Fantasie malte er sich häufig aus, welche Abenteuer sie zusammen beschreiten würden. Wenn sie miteinander sprachen, welche Antworten sie ihm geben würden.
Doch jedes Mal, wenn er zurückkehrte, hatten die ihm so geliebt waren scheinbar vergessen, dass er jemals Teil ihrer Freude gewesen war. Als hätte er nie existiert. Nur selten kannten sie noch seinen Namen.
Und so ging die Suche jedes Mal wieder aufs neue los.

Die Tage verflogen. Bedeutung war nirgends zu finden. Die letzten Tage seiner Kindheit waren Geschichte, geschrieben mit dem Abschluss seiner Prüfungen, die in den Wochen nach dem letzten Ausflug unnachgiebig auf ihn warteten.

Doch nun, was sollte er nun tun, wo sollte er hin? Was wurde noch von ihm erwartet?
Wo waren all die Menschen? Wo waren all die Ziele, all die Lebendigkeit?
Im Frieden, der völligen Stille aller Erwartungen, schien in seinem Kopf das größte Chaos zu herrschen.
Was nur sollte er hier noch in diesem Leben, dem er sich nie nahe gefühlt hatte.
In seinem Inneren wuchs immer größer die Verzweiflung, die Sehnsucht nach etwas fernen. Nach etwas Sinnvollem.
Er wollte wieder dort hin zurück, von wo ihm über das Leben berichtet wurde.
‚Genug jetzt! Ich habe genug gelebt.‘
Immer wollte er dankbar sein, für dieses einzigartige, kostbare Geschenk. Doch wie nur, wenn er nie in diese Welt gepasst hatte, wenn niemand ihn je verstanden hatte, wenn er nur die anderen verstehen konnte. Noch 20-, 30- oder sogar noch länger am leben zu bleiben, erschien ihm nur noch wie eine endlose, unerträgliche Last.
Ihm verlangte es nach Freiheit. Nach der Freiheit seiner Seele.

Jeshua stand am Abgrund eines hohen Berges. Vor seinen Füßen verschwand der Untergrund und wich einem steinigen Meer aus steilen spitzen Felsen.
Ein letztes mal breitete er seine Arme aus und bevor er die Augen schloss, konnte er in seinen Augenwinkeln noch einmal die höhnende Gestalt des Schattens erkennen. In Wahrheit, war er nie weg gewesen. Ein letztes Mal spürte Jeshua die verführerische, illusionäre Wahrheit dieser Realität auf seiner Haut. Anschließend ward seine Sicht Dunkel.
Er war nun bereit dazu, der tatsächlichen Wahrheit wieder zu begegnen, dieser Hoffnungslosigkeit zu entkommen und überließ seinen Körper langsam der Schwerkraft, ließ ihn sich nach vorn über zu diesem Steinmeer hin beugen.

Er sah nicht, doch hörte eilige, hektische Schritte. Dann spürte er auf einmal zwei starke Arme sich um seine Taille schlingen und gegen die Physik arbeiten. Alles auf Anfang und der Fall in die entgegengesetzte Richtung. Dann der harte Aufprall, der Boden von Mutter Erde.
Jeshua öffnete die Augen und Blickte in das Gesicht, welches er schon so oft gesehen , aber nie wirklich wahrgenommen hatte. In der Schule, tagtäglich, jedoch nie besser gekannt hatte. Dieses Gesicht, was er nie hinterfragt hatte.
David sagte zu ihm: „Jeshua, ich sehe dich, dein Leid und deine Gedanken. Ich sehe wer du bist. Bitte lass mich dir das Leben zeigen. Bitte lass mich dir beweisen, dass du ein Teil davon sein kannst. Gott wartet auf dich. Er liebt es deine Stimme zu hören. Aber er will nicht, dass du schon jetzt zu ihm kommst.“

Tränen bildeten sich in den Rändern seiner noch kurz zuvor zugekniffenen Augen und rollten glänzend über seine Wangen. Er ergriff Davids Hand und ließ sich auf die Beine ziehen. Seine Mundwinkel bewegten sich nach oben.
„David, ich denke ich weiß jetzt, wie die Freiheit nach der ich suchte sich wirklich anfühlt.“
„Ich weiß, Jeshua.“ antwortete David mit einem Lächeln.

HSP

Die Charakter Züge des Protagonisten meiner Kurzgeschichte beschreiben sehr gut, wie sich die Welt für einen Menschen mit HSP anfühlt. Die Abkürzung steht für „Highly Sensitive Person“.
Menschen mit diesem Persönlichkeitsmerkmal machen, wie Elaine N. Aron in ihren Forschungen feststellte, ca 30% der Bevölkerung aus.
Natürlich darf man nicht vergessen, dass es sich um ein noch sehr junges Forschungsgebiet handelt, welches erst 1990 seinen Anfang fand und es sich bei HSP auch mehr oder weniger um ein Spektrum handelt. Somit kann es bei jeder betroffenen Person unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann.
Bei Jeshua jedoch, sind alle diese Merkmale äußerst intensiv.
Wie ihr sicher vernehmen konntet, gehören zu diesen Merkmalen starke Empathie und Einfühlungsvermögen, sowie eine reiche innere-, emotionale Welt.
Abgesehen vom übersteigerten Intra- und Interpersonalem Empfinden, sind bei HSP jedoch auch die anderen, wenn nicht sogar alle Sinne überdurchschnittlich stark ausgeprägt.
Betroffene berichten oft, dass sie keinen Filter im Kopf haben und somit alle Geräusche und Gerüche nicht nur intensiver, sondern alle gleichstark wahrnehmen. Oft sind sie auch sehr lichtempfindlich.
Das kann beim täglichen Essen in der Mensa schon losgehen. Man unterhält sich mit seinem Gegenüber, doch as Geraschel des Stoffbeutels links von dir und das Gespräch am Nachbartisch erscheinen genau so laut wie die Worte deines Freundes. Du kannst ihm kaum folgen und er denkt sich für seinen Teil im schlimmsten Fall, du hättest kein Interesse für sein Anliegen.
Jene ist eine sehr milde und alltägliche Situation. Viele HSP erfahren jedoch auch häufig Panik- oder Angstattacken wenn die einfliegenden Sinneswahrnehmungen nicht gedämpft werden können. Nicht selten kommt noch ein penetranter Kopfschmerz hinzu, wenn der Situation nicht entgangen werden kann.
Oft ist es deshalb so, dass betroffene viel Zeit für sich und genügend Rückzugsmöglichkeiten benötigen, um die vielen Informationen ordnen und verarbeiten zu können.

Hier kommt jedoch der springende Punkt. Es sind natürlich nicht nur HSP, sondern auch viele andere emotional sensitive Menschen, die in der Anonymität dieser Gesellschaft so nicht gesund leben können. Ich möchte jetzt nicht tiefer darauf eingehen, wie unsere Welt schon daran scheitert auch für Menschen mit besonders ausgeprägten Sinnen ein angenehmes Leben bereitzustellen.
Zum Schluss möchte ich lediglich darauf hinweisen, dass besonders solche Leute wie Jeshua unter dieser Anonymität stark leiden. Manche können ihre Missgunst, von der ich sicher bin, dass jeder sie empfindet, besser unterdrücken und manche eben nicht. Nicht nur Jeshua, sondern alle Menschen besitzen doch das Bedürfnis nach Liebe, das Bedürfnis sich mitzuteilen.
Und so sollten alle für sich irgendwann die Entscheidung treffen, ob sie der Richtung, in die sich dieses soziale Konstrukt momentan bewegt wirklich folgen wollen. Ob sie in einer Welt aus gelogener Akzeptanz leben wollen und im Endeffekt nur seinen Mitmenschen und auch sich selbst zu schaden gedenken. Oder ob man sich dagegen stellt und einen ersten Schritt in die Welt der Wahrheit und Nächstenliebe gehen möchte.
Wie schon gesagt, es ist ein soziales Konstrukt und mit unseren Entscheidungen definieren wir, was darin zur Wirklichkeit wird.

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Categories Observations, Meaningful labor