WAS IST DAS ZIEL?
Um ganz genau zu sein existiert so etwas wie ein Ziel eigentlich nicht und schon gar nicht auf einer Reise. Ich möchte es lieber in den Worten Konfuzius ausdrücken: „Der Weg ist das Ziel.“
Am 15.10.24 habe ich mich auf eine Reise nach so zu sagen der anderen Seite der Welt gemacht.
Das ist zumindest das, was ich allen erzähle, wenn ich gefragt werde, was ich die nächste Zeit machen werde.
Doch in Wirklichkeit, soll es eine Reise zu mir selbst sein.
Ich habe vor, besser herauszufinden, wer ich bin, was ich Will und was ich eigentlich denke von der Welt und all dem Rest.
Das „Ziel“ war Australien, Melbourne um genau zu sein, doch werde ich mich in den nächsten Monaten auch zu vielen anderen Orten bewegen und am Ende in ein völlig anderes Land in einem anderen Kontinent als zu beginn geplant reisen.
Denn das Leben hält immer Überraschungen für dich offen und ändert manchmal deine Pläne völlig gegen deinen Willen. Das habe ich in letzter Zeit definitiv gelernt. Gott weiß schon was er mit dir vorhat und fast immer ergibt sich durch die Veränderung eine noch bessere Situation. Doch das sind Geschichten die dann erzählt werden sollten, wenn ich sie erlebt habe.
Was ich in den nächsten Monaten also gedenke zu tun, ist es euch auf meine Reise mitzunehmen. Euch von den Orten zu berichten die ich besuche, was mir dort aufgefallen ist, welche Erfahrungen und Schlüsse ich für mich ziehen konnte.
Es gibt eben zwei Ebenen auf denen mann so etwas betrachten kann. Ich möchte euch also nicht nur von den Orten erzählen, von dem was eben passiert ist, der sogenannten ersten Ebene, sondern viel mehr von meinen Erkenntnissen. Eben nicht von der „Reise“, sondern von der „Reise zu mir selbst“, der zweiten Ebene und dem wirklichen Grund für mein Aufbrechen.
Denn im Endeffekt ging es mir nicht anders als vielen jungen Leuten.
Auch ich hatte das starke Bedürfnis einfach mal „raus“ zu müssen. Also warum nicht gleich direkt ans andere Ende der Welt? Weiter weg geht ja schließlich nicht mehr.
ERSTER STOPP: HO-CHI-MINH-CITY
Gewisse Dinge sind mir in meinem 16 Stündigen Aufenthalt hier in Saigon auf jeden Fall klar geworden.
Nie könnte ich mir vorstellen selbst auf Dauer in einer solchen Großstadt zu leben.
Und dass hat verschiedene Gründe. Wohin man auch geht, findet sich unglaublicher Verkehr.
Auf meinem zwei stündigen Ausflug hin zur hiesigen Notre Dame, hatte ich bei der Überquerung der Straßen mehrfach ernsthafte Angst um mein Leben. Ich fragte mich wie viele Todesopfer es in dieser Stadt wohl jährlich aufgrund von Traffic geben muss. Doch den Bewohnern schien dass alles so gut wie nichts auszumachen. Wenn der Fußweg wie so häufig von kleinen Straßen Geschäften belegt war, spazierten sie eben eifach auf die stark befahrene Straße ohne sich umzusehen das auch niemand von hinten kam. Auch an großen Kreuzungen schien sich niemand wirklich an Verkehrsregeln zu halten, wenn es solche dort überhaupt gibt. Irgendwie hat trotzdem alles für sich funktioniert. Fast so ein bisschen, wie wenn man einen Ameisenhaufen beobachtet. Man hat das Gefühl, dass alle völlig chaotisch durcheinander wuseln und trotzdem hat in Wahrheit jeder seine Aufgabe.
Das zweite no Go, welches ich aber auch schon in vielen anderen Großstädten beobachtete ist der unangenehme Geruch. Teils verursacht durch Müll, ja auch die vielen Menschen oder eben die Fumes. Obwohl Saigon wahrscheinlich eine der grünsten Städte überhaupt ist, gibt es wohl Gründe, weshalb ein Großteil der Menschen Masken trägt. In so gut wie allen Seitenstraßen fanden sich viele Bäume, kleine Büsche oder sogar richtige Palmen. Auch einen großen Park habe ich mehrfach durchquert.
Es beeindruckte mich stark, wie noch vor 7 Uhr unzählige Menschen in diesem Park joggen waren oder an zahlreichen öffentlich zugänglichen Callistenics Bänken trainierten. Das habe ich in dem Ausmaß so diszipliniert noch nirgends beobachten können.
Es schien einfach ganz natürlich und fast schon ohne Mühe, dass vor der Arbeit so zeitig Sport getrieben wird, ganz egal ob jung oder alt.
Der dritte Punkt, der mich für meine längere Zukunft jedoch von solchen Großstädten fernhalten wird, ist die enorme Lautstärke, die ebenfalls durch den Traffic erzeugt wird.
Wenn die Menschen etwas zu mir sagten, konnte ich sie durch dieses penetrante Hintergrundgeräusch entweder nur sehr schwer oder fast gar nicht verstehen.
Ich könnte mir nicht vorstellen, mich jemals an diesen ständigen Lärm zu gewöhnen. Doch müssen es die Vietnamesen zu meiner Verwunderung ja irgendwie geschafft haben. Ansonsten hätte ich die Jugendlichen nicht zum HipHop Tanzen oder die etwas älteren sich zu kulturellen Tänzen bewegen sehen.
Ich für meinen Teil musste mir nach den ersten 500m außerhalb des Flughafens Geräusch filternde Kopfhörer aufsetzen, da ich bei dem Lärm bereits begann noch stärkere Kopfschmerzen zu entwickeln, als ich durch die Übermüdung eh schon hatte.
Ich konnte auch beobachten das in diesem südlichen Land einige Menschen deutlich offener und zugänglicher sind als in den eher westlichen Ländern.
So hat ein Vietnamese mich einfach angesprochen, nachdem er durch mein zögerliches Straßenüberqueren bemerkt hatte, dass ich ein Tourist bin und gab mir ein paar nützliche Tipps um in dem Land zurecht zu kommen. Er erzählte mir aber auch etwas von seinem Leben und ich von meinem, was ich als sehr angenehm empfand und mir mehr Selbstsicherheit in meiner jetzigen Identität als Reisende verlieh. Zuvor hatte ich mich etwas allein und verloren gefühlt in dem riesigen Saigon, so weit entfernt von allem was ich zuvor gekannt hatte.
EBENE ZWEI
Außerhalb dieser sehr weltlich gebundenen Erfahrungen, die ich hier an meiner ersten Haltestelle machen konnte, sind mir in Verbindung mit Gott jedoch auch gewisse andere Erkenntnisse bewusst geworden. Einige meiner Gedanken erscheinen mir oft sehr paradox. Doch habe ich auch beobachtet, dass sie sich genau dann am wahrhaftigsten anfühlen.
Immer dann ist es eine Feststellung. Nichts was noch hinterfragt werden müsste.
Vor gerade einmal ein paar Tagen, saß ich noch mit den mir engsten Menschen zusammen, mit meiner Familie und hatte einen der schönsten Abende überhaupt bei gutem Essen und Gespräch. Wie kann es sein, dass ich mich nun nach so kurzer Zeit irgendwo auf der anderen Seite der Welt befinde?
In diesem Zusammenhang wird mir besonders deutlich, wie relativ Zeit sein kann und wie schwierig es ist im Moment zu leben.
Selbst wenn man es mit aller Kraft versuchst und sich mit allen Sinnen nur auf das Hier und Jetzt konzentriert, wird einem alles irgendwie entgleiten.
Denn die Zeit kannst man nicht festhalten.
Sie entgleitet einem schon jetzt wo man gerade begonnen hat an sie zu denken.
Wie überhaupt kann ein Moment wirklich existieren, wenn man alle Zeiteinheiten wieder und wieder teilen kann? Ist unser Bewusstsein überhaupt dazu in der Lage zu erkennen was Jetzt ist und was Vergangenheit oder nur ein zukünftiger Traum? Ich wage sogar zu behaupten, dass die Erinnerung immer eine stärkere Empfindung hervorruft als der tatsächliche Moment. Einfach aus dem Grund, dass wir den Moment in unserem Kopf unbegrenzt oft und in extrem gedehnter Länge betrachten können.
In unserer Erinnerung sind wir dazu in der Lage jene Details zu erkennen, die zuvor nur von unserem Unterbewusstsein wahrgenommen werden konnten.
Ich hatte mich jedenfalls bei dem Gedanken erwischt, wie ich in so kurzer Zeit nur so weit weg gekommen sein könnte, bis mir aufgefallen ist, dass ich aufgrund dieser kurzen Zeit ja eben überhaupt nicht weit weg bin.
Unsere Erde ist so unglaublich klein im Vergleich zu dem was dort draußen alles existiert.
Vielleicht sogar Unendlichkeit. Wir sind in all dem vermutlich absolut unbedeutend und nichtig, nur eine von vielen von Gottes Schöpfungen.
Und doch interpretieren wir in alles so viel hinein, interpretieren so viel in uns selbst, denn trotz der unvergleichbaren Größe des Universums hat doch jeder von uns seine eigene Individualität.
Von außen betrachtet, macht es letztendlich keinen Unterschied an welchem Ort sich dieser 57kg schwere Körper befindet. Ob auf einem Kontinent oder dem nächsten.
Das einzige was diesen Belanglosigkeiten wie der Örtlichkeit eine Bedeutung verleiht, ist die emotionale Verbindung zu anderen. Zu Freunden, zu Familie, zu allen geliebten. Diese Verbindung ist es, die unserer aller Leben wirklich bedeutsam und lebendig macht.
Denn durch was ist das Leben gekennzeichnet? Durch ständige Veränderung. So etwas wie Stillstand kann es in keiner Beziehung geben, ganz egal in welche Richtung von Gottes Schöpfung man auch blickt, Veränderung ist überall.
Und was würde dein Tod letztendlich verändern, wenn sich keiner dir in irgendeiner Weise emotional verbunden gefühlt hat? Im Prinzip nichts.
Also möchte ich mit diesen Worten einmal allen Menschen Danken, die mir selbst Bedeutung verleihen, die mich somit am Leben erhalten. Denn Isolation ist der Tod der Seele.
Es gibt viele Menschen die mir durch die gemeinsame Zeit sehr ans Herz gewachsen sind. Im verlauf meines Lebens sind es wahrscheinlich zu viele um sie hier alle zu nennen.
Doch um meine Dankbarkeit zu zeigen, möchte ich die Namen nennen, die mich besonders im vergangenen Jahr dabei unterstützt haben nicht nur lebendig zu sein, sondern auch weiter zu mir selbst zu finden.
Vielen Dank Kiryl das du mir immer wieder einen Schubs in Richtung Realität gegeben hast und ich mit dir über die „wirklich wichtigen Dinge“ sprechen konnte.
Vielen Dank David, dass du mich in meiner Reise zu Gott begleitet hast und so viel Zuversicht in mein Leben gebracht hast.
Vielen Dank Leonie, dass du meine Glaubenssätze immer wieder hinterfragt hast und ich dadurch mehr über mich selbst lernen konnte.
Vielen Dank Simon, dass ich durch dich lernen konnte, dass es nie zu spät für etwas ist und ich mich nicht immer so stressen muss.
Vielen Dank an gewisse Lehrer, die mich bei meinen Zielen unterstützten und mir vieles erst ermöglicht haben.
Vielen Dank Tom, das du mir offen gesagt hast, dass du an mich glaubst und mir somit viel Kraft geschenkt hast.
Vielen Dank Selma, dass ich immer werde auf dich zählen können und du genau so anders bist wie ich.
Vielen Dank Mama und Papa, dass ihr mich immer unterstützt egal was ich mir wieder in den Kopf gesetzt habe.
Und das Größte Dankeschön geht an Johann. Vielen Dank Johann, dass du mir gezeigt hast wie es sich anfühlt geliebt, gesehen und verstanden zu werden und dass du mir die Möglichkeit gibst diese Liebe selbst wiederzugeben. Dass ich durch dich lerne auch mich selbst lieben zu können.
Ich Danke Gott dafür, dass er mich zu dir geführt hat, es ist mit Sicherheit das Beste was mir nur passieren konnte.
Ohne euch wäre ich nicht die Person, die ich heute bin. Ich wäre gerade vielleicht auch irgendwo anders, nicht auf dem Flughafen in Saigon. Und das schönste ist, das ihr diese Veränderungen in mir nicht bewusst herbeigeführt habt, sondern einfach nur in dem ihr ihr selbst wart.
Damit ist der erste Eintrag leider beendet, da ich gleich in das Flugzeug steigen muss, welches mich nach Melbourne bringen wird. Ich danke Gott für die Erkenntnisse die ich durch Vietnam heute schon sammeln konnte. Bis bald.