TRAVEL BLOG #2

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IN MELBOURNE

ANKUNFT & ERSTE EINDRÜCKE

Ich befinde mich nun seit bereits 4 Tagen hier in Melbourne (Wahrscheinlich eher 5-7, bis ich den Beitrag hochgeladen habe).
Allerdings fühlt es sich so an, als sei ich schon deutlich länger hier. Ich denke der Grund dafür liegt darin, dass ich sehr viel Zeit an der Frischen Luft verbracht habe und die Stadt zu Fuß besichtigt habe. Jeden Tag bin ich um die 25km gelaufen und habe mir versucht einen ersten Überblick zu verschaffen. Das ist natürlich nur bedingt möglich ist, bei einer so flächengroßen Stadt wie Melbourne eine ist.
Doch möchte ich bereits hervorheben, es gibt nicht umsonst das bekannte Phänomen, welches schönes schnell und unschönes langsam vergehen lässt.

Im Vergleich zu Saigon fühle ich mich hier aber definitiv wohler, da mindestens 80% der Stadt gar keinen wirklichen Großstadt Charakter zeigt. Durch die vielen Parks und Grünflächen, sowie der eher ländlich angehauchten 2-Stock Häuser, hat man das Gefühl sich in einer Art größerem Dorf aufzuhalten. Trotzdem bekommt man alles was man braucht im Umkreis von höchstens einem Kilometer, was definitiv eine Möglichkeit ist, die ich zuvor so noch nicht kennengelernt hatte.

Die ersten 3 Nächte meines Aufenthaltes hier, verbrachte ich durch die Organisation eines Programms in einem Hostel. Abgesehen von Schulausflügen, war dies das erste Mal für mich, dass ich in solch einem Gebäude allein übernachtet habe.
Von gewissen Ausnahmen mal abgesehen, waren die meisten dort Mitte zwanzig und bereits mit ihrem Studium fertig. In gewisser Weise passte ich durch mein Alter und mein, wie mir nachgesagt wurde, noch jüngeres Aussehen also nicht wirklich in irgendeine Gruppendynamik hinein.
Sie trinken und feiern. Jeden Tag, kaum andere Aktivitäten passen in diesen stressigen Zeitplan.
Wie ihr sicher aus meinen vorherigen Blogeinträgen schon entnehmen konntet, bin ich durch viele Gründe nicht sonderlich begeister von diesem Lebensstil. Was mich jedoch beschäftigt hat, ist dass diese Studis teilweise tagelang gereist sind, nur um den gleichen Aktivitäten nachzugehen, die sie auch in ihrer Heimat hätten tun können.
Ein Mädchen, welches schon deutlich länger dort war als ich, meinte dass sie noch nicht einmal die Stadt richtig erkundet hatte.
Was das angeht, scheine ich differenzierte Erwartungen mitzubringen als viele meiner Mitmenschen. Mir geht es beim Reisen gerade darum möglichst viele neuartige Erfahrungen zu machen, unbekannte Orte zu erkunden, vielleicht sogar ein bisschen Abenteuer zu finden und über mich selbst zu lernen, mich weiterzuentwickeln. Nicht einfach nur das zu wiederholen, was ich bereits kenne.

Während meines Aufenthalts und der ersten sich bietenden Möglichkeit wieder mit Menschen in Kontakt zu kommen, ist mir bewusst geworden, dass es mir tatsächlich sehr schwer fällt neue Kontakte zu knüpfen.
Das ist nichts, was ich nicht schon immer gewusst habe, nur dachte ich aus mir unbekannten Gründen vermutlich in Australien würde es mir auf einmal leichter fallen.
Ich fühle mich sehr unsicher in dem was ich sagen soll und wie ich mich verhalten soll. Ganz zu schweigen davon, dass da durchaus ein großer Unterschied drin besteht ob ich 1000 Seiten Englisch Lesen kann oder ein freies Gespräch führen soll.
Zum ersten Mal merkte ich, dass meine Sprachkenntnisse deutlich schlechter sind als ich immer angenommen hatte. Es ist eben schwieriger direkt sprechen zu müssen, als genügend Zeit zum nachdenken zu haben, wie wenn man nur Nachrichten schreibt.
Ich bin außerordentlich gespannt, wie sich dieser Punkt zum Ende meiner Reise entwickelt haben wird.
Jetzt wo ich diesen Text noch einmal überarbeite und bereits ein paar weitere Tage vergangen sind, muss ich jedoch sagen, dass sich dieser Punkt deutlich verbessert je mehr man ins Gespräch mit anderen kommt und je weniger Anspannung man in sich trägt.
Es hat also weniger mit den eigenen Fähigkeiten als den äußeren Umständen zu tun.
Der Akzent der Australier bzw. oft auch der Briten oder Amerikaner in Verbindung mit den lauten Stadt Geräuschen im Hintergrund, macht mir das Leben also oft unnötig schwer wenn es darum geht Konversation zu führen.
Nichts desto trotz habe ich das Gefühl mich in der Hinsicht in den letzten paar Tagen schon verbessert zu haben. So ist es wohl wenn man allein auf Reisen ist. Ich kann regelrecht fühlen wie diese innere Anspannung in mir von Tag zu Tag nachlässt.
Ich denke wenn die Menschen mich nicht sprechen hören, können sie schon nicht mehr sagen, dass ich eigentlich nicht hier hingehöre.
Aber sowieso, wer weiß schon selbst wo man eigentlich hingehört?

Am letzten Tag meines Hostel Aufenthaltes habe ich meine Mitbewohnerinnen mit einem Mann sprechen hören, der gerade an einem Buch schreibt, welches er hoffentlich bald veröffentlichen kann.
In diesem soll es unter anderem darum gehen, wie wir nur durch unsere Gedanken erst Probleme kreieren, die so ansonsten gar nicht existieren.
Wie unsere Mentalität mal wieder einen unglaublichen Einfluss auf unsere Wahrnehmung der Realität haben. Das Thema hatte mich sofort in seinen Bann gezogen.
Als die partysüchtigen Mädchen aus dem Zimmer gingen, habe ich mir ein Herz gefasst und ihn ebenfalls zu seinem Buch befragt.
Erst dann eröffnete sich mir, wie freundlich er eigentlich war. Er berichtete mir, dass er bereits vieles in seinem Leben durchmachen musste und irgendwann, nachdem er bereits viel gelesen hatte, anfing nach eigenen Antworten für sein Leben zu suchen, welche er nun in seinem Buch niederschreibt.
Man findet zwar zu wohl jedem nur vorstellbarem Thema verschiedenste Lektüre, doch wir alle sind so besonders, wir alle können ab und zu so unkonventionelle Ideen oder Ahnungen in uns tragen, dass wir manchmal den Mut fassen und sie selbst an die Öffentlichkeit tragen müssen. Selbst einmal der erste sein. Ich achte ihn für seinen Mut genau das zu tun.
Bald werde ich die Möglichkeit haben seinen Draft noch vor der Veröffentlichung zu lesen. Darüber hinaus hat er mich zu Sri Lankischem essen (seiner Heimat) eingeladen.
Auch wenn diese Verabredung am Ende nicht stattfinden konnte, bin ich doch froh meinen Mut zusammen genommen zu haben und jemanden von mir aus anzusprechen. Sonst hätte ich nie diese interessante Bekanntschaft machen können.
Danke Gott, für den Mut den du mir gegeben hast.

Was den Rest jedoch angeht, möchte ich mir fest vornehmen, nicht mehr darüber nachzudenken, wie ich auf die anderen Menschen wirke, sondern einfach immer so authentisch wie möglich zu sein.
Denn mir ist wohl bewusst, dass es mich auf lange Sicht nicht weiter bringen wird, wenn ich es allen versuche Recht zu machen. Das raubt mir unnötige Energie. Mein Ziel sollte es sein, durch authentisches Verhalten nur die Menschen in meinem Leben zu haben, die genau dort auch hingehören und mit denen ich gegenseitig mentalen Profit erwerben kann. Ich möchte nur Menschen in meinem Leben, die mir meine Zeit und Energie nicht rauben, sondern durch die es sich für mich wie ein Geschenk anfühlt meine Zeit zu investieren.

Nun noch einmal ein paar Wochen zurückgedacht, weil es mir in meinem ersten Eintrag leider entfallen ist zu erwähnen.
Eine Sache, die mir während meines Fluges mehrfach aufgefallen war, ist dass diese Leute zwar alle ein Ziel im Kopf haben, wenn sie sich in einen Flieger über tausende, manchmal zehntausende von Kilometern machen. Doch sobald sie angekommen sind und das Flugzeug wieder auf festem Boden rollt, ändert sich ihr Gesichtsausdruck kein bisschen.
Alle haben sie wie versteinerte Mienen, die kaum etwas an Individualität durchscheinen lassen. Sie zeigen keinerlei Freude, obwohl sie ihren Zielort endlich erreichen konnten.
Wir sollten also besser, wie auch in meinem ersten Eintrag schon erwähnt, im Hinterkopf behalten, dass es deutlich gesünder ist den Weg selbst als Ziel zu betrachten.
Denn bewegt man sich nur stur auf ein bestimmtes Ziel zu, ohne die Bäume rechts und Links wahr zu nehmen, so steht man am Ende vor nur einem Baum, zwar dem den man gesucht hat, doch hat man versäumt den ganzen Wald ringsum zu erkennen.
Möglicherweise findet sich in dem Wald ein noch viel passenderer, beeindruckenderer Baum als den, welchen man gesucht hat.
Strickte Ziele werden nur kurze und vielleicht sogar überhaupt keine Freude bringen.
Generell hat mich diese Emotionslosigkeit in den Flugzeugen, aber auch hier in der Stadt mehr als schockiert.
Ja, dort wo ich herkomme, war es rückblickend gesehen auch nicht wirklich anders. Doch fällt es mir erst jetzt in dieser länger anhaltenden Menge an Menschen um mich herum wirklich auf, wie extrem dieses Phänomen eigentlich ist.
Es macht mich ein wenig traurig zu sehen, wie wir alle immer höhere Mauern um uns herum aufbauen und somit die Leichtigkeit von Konversation zu schwinden scheint. Die Technik unterstützt uns dabei nur und treibt einen Keil zwischen die Menschen.

Anbei möchte ich kurz ein Paar Worte über eines der Bücher verlieren, die ich momentan am Lesen bin. Auch „Modern Romance“ von Aziz Ansari, setzt sich mit dem Thema auseinander, wie Smartphones heute speziell unser Dating-leben beeinflussen.
Er sagt unter anderem, gestützt durch viele Quellen, dass die neue Generation nachweislich die Fähigkeit verliert spontane Gespräche zu führen.
Dies unterstützt meiner Meinung nach ganz gut das Phänomen vieler (nicht nur junger) Leute, kaum Mimik nach außen hin zu zeigen und bei jeder nicht gefüllten Minute auf das Display zu schauen, um weiteren potentiellen Kontakten aus dem Weg zu gehen. Und weshalb? Aus Angst dem unbekannten Gesprächspartner nicht zu genügen sollte es tatsächlich zur Konversation kommen. (Ich beziehe mich ganz bewusst auf diese Behauptung, da es mir wieder strebt glauben zu wollen, dass ein Großteil der Menschen einfach nur für sich sein will und sich für niemanden außer sich selbst interessiert.)
Ein ziemlicher Teufelskreis wenn ihr mich fragt. Aber ich bin selbst nicht das beste Beispiel. Zwar schaue ich nicht in jeder freien Minute auf mein Smartphone, doch habe ich ebenfalls noch einen weiten Weg vor mir, meine Angst vor lockerer Konversation ablegen zu können.

Ich muss allerdings auch zugeben, dass der Ruf der Australier sehr freundlich zu sein nicht unbedingt falsch ist.
Viele Leute haben mich auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln bereits angesprochen, aufgrund von Nichtigkeiten wie beispielsweise, meinem T-Shirt oder ob ich auch coole Tricks kann mit meinem Skateboard. So eine, in diesen Fällen wirklich positiv behafteten Erfahrungen habe ich in Deutschland nicht sammeln können.
Es ist also wieder so wie mit allem. Ja der Großteil der Menschen ist in seiner eigenen kleinen Welt und versucht sich nach außen hin abzukapseln, aber es gibt eben auch ein paar angenehme Ausnahmen.
Ich wünschte mir nur, wir könnten uns alle etwas offener, freundlicher und unvoreingenommener gegenüber einander verhalten.

Bevor ich hier her gekommen bin, besaß ich die Erwartung, dass es mir sehr schwer fallen würde über einen so langen Zeitraum mehr oder weniger allein und völlig auf mich gestellt zu sein. Tatsächlich ist das jedoch kaum der Fall.
Obwohl ich die ganze Zeit für mich bin, fühle ich mich in keinster Weise einsam.
Und das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich weiß, dass zuhause Menschen auf mich warten von denen ich geliebt werde. Überhaupt schon, dass ich sagen kann, dass ich ein zuhause habe, einen Platz wo ich hingehöre. Und dafür bin ich unendlich dankbar.
Mir ist bewusst geworden, dass ich dieses Geschenk nie einfach als gegeben hinnehmen sollte, denn gibt es schließlich Millionen von Menschen, die diesem Glück nicht zu Teil werden.
In gewisser Weise fühle ich mich trotzdem irgendwie schlecht, gerade weil ich scheinbar kein wirkliches Problem damit habe allein zu sein.
Ein Teil von mir scheint zu glauben, dass ich es jemandem schulde mich mir deswegen vorwürfe zu machen.
Früher dachte ich auch immer, dass die Leute einen verurteilen würden, wenn man ganz allein verschiedene Dinge unternimmt. Aber ich weiß nun, dass dies absolut nicht der Fall ist und in Wirklichkeit sehr viele Menschen häufig nur Zeit mit sich verbringen oder einfach so wie ich völlig allein die Welt bereisen und trotzdem hält sie das nicht von der Möglichkeit neue Erfahrungen zu sammeln ab.
Worin eher meine Sorge liegt, ist dass ich das Gefühl habe nicht emotional genug reagieren zu können.
Die meisten jungen Leute in dieser Generation verfolgen das Ziel so tough wie möglich zu werden. Sie wollen sich von niemandem unterkriegen lassen, der starke Löwe in einem Gehege voller Schafe sein.
Ich denke dieses verhalten entsteht entweder ebenfalls durch viele schlechte Erfahrungen oder dem Massenphänomen einfach so sein zu wollen wie alle.
Doch auch wenn ich nicht nach Schwäche suche oder emotionaler Abhängigkeit, so bin ich mir darüber bewusst geworden, dass es für mich eines höheren Wertes ist all meine Gefühle voll spüren zu können.
Ich weiß, dass mein Unterbewusstsein mich nur vor zukünftigem Schaden zu bewahren versucht, doch möchte ich die Dinge so fühlen wie ich weiß dass ich dazu in der Lage bin. Die guten wie auch die schlechten. Denn in meiner Betrachtungsweise sind es die Gefühle, die uns zu etwas besonderem machen. Deren Ursprünge manchmal so plötzlich und unerklärlich sind, dass die Psychologie sich an ihr die Zähne ausbeißt. Dass macht das Leben für mich interessant.
Deshalb werde ich bewusst daran arbeiten, diese Fassade bröckeln zu lassen. Bis ich sie endlich durchstoße.

In den letzten Tagen habe ich jedoch auch gemerkt, wie falsch ich in meiner Einschätzung von Melbourne lag.
Eine Stadt, die ich nicht mal in meinen 4 Monaten Aufenthalt hier völlig erkunden könnte, so war erst mein Eindruck.
Aber wie sich zeigt, habe ich mich mal wieder selbst mächtig unterschätzt.
Nun, wo ich diese Zeilen schreibe, bin ich seit ungefähr 2 Wochen hier und kenne meine Umgebung so gut, dass mir anfängt langweilig zu werden.
Die Stadt gibt mir in gewisser Weise das Gefühl eingesperrt, ja gefangen zu sein an einem einzelnen Ort obwohl dort ein ganzer Kontinent zu meinen Füßen liegt und nur darauf wartet von mir erkundet zu werden.
Einen Fuß vor den anderen setzend wartet vor meiner Haustür auf mich nichts als Lärm, Gestank, Verkehr und abertausende unbekannter, ausdrucksloser Gesichter.
Ich habe mir überlegt zunächst einen weiteren Monat hier zu bleiben. Sollte sich dieses Gefühl bis dahin jedoch nicht geändert haben, werde ich wohl meinen Rucksack packen und das Land bereisen.
Auf der Suche nach einer Sache, die sich nicht benennen lässt.

Manchmal denke ich mir, irgendein Teil in meinem Inneren hätte wohl geglaubt dass diese Reise so weit weg von Zuhause, dem Ort wo alles „passiert“, bedeuten würde, dass ich während meiner Abwesenheit einfach aufhören würde zu existieren.
So als hätte ich meine Existenz an die Perspektive der Menschen gebunden die ich liebe. Nicht als ob ich eine individuelle Perspektive hätte.
Ich glaube mir schon oft einfach eine Pause von mir selbst gewünscht zu haben. Einen Schalter umzulegen, der für eine bestimmte Zeit alles schwarz werden lässt und mir die Möglichkeit gibt endlich wieder zu Laden.
Doch vergeblich, wohin ich auch gehe, ich existiere immer weiter und mein Kopf denkt immer noch.
Manch Gedankenschleifen würde ich ihm gern ein für alle Mal austreiben. Doch scheinen sie so tief verwurzelt dass Alle Müh keine Früchte trägt.

Wenn ich eine Lektion zusammenfassen müsste, die ich durch meine bisherige Reise gelernt habe, dann wäre das wohl, dass die Erde auf bestimmte Weise überall gleich ist.
Ganz egal wo man sich befindet, aus dem Grund, dass wir Menschen einer Spezies angehören und im Endeffekt weniger individuell sind als wir wohl meist glauben.
Die Erde ist variabel, doch wir erschaffen sie zu überall sich gleichenden Metropolen und nehmen ihr diesen Zauber.
Das wonach ich Suche, kann man an keinem Ort finden, vielleicht in der nächsten Dimension, aber ganz bestimmt in meiner Vorstellungskraft.

Bis zum nächsten Mal in diesem Format. 30.10.2024

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